Hoffnung zuhause für Kinder in Mittelamerika

Initiative für Mittelamerika: Alternativen zur Migration

World Vision knüpft neue Netzwerke zur Überwindung von Armut und Gewalt
Autor: IrisManner  | 
15. November 2018
Autor: IrisManner

Hope at Home: eine Strategie für kinderfreundliche Lebensverhältnisse in den Herkunftsländern

Vereintes Vorgehen mit klaren Zielen kann mehr bewirken. Daher hat World Vision für Mittelamerika die Initiative „Hope at Home” geschaffen. Ihr Ziel ist, direkt auf Ursachen und Einflussfaktoren einer für Kinder und Jugendliche gefährlichen Form von Migration - beispielsweise Jugendarbeitslosigkeit, Gewalt zuhause und soziale Ausgrenzung - einzuwirken. 

Im Fokus stehen die Länder des sogenannten nördlichen Dreiecks - Guatemala, Honduras und El Salvador. Von dort wandern besonders viele Menschen auf der Suche nach Arbeit in Nachbarländer, in die USA oder auch nach Europa aus, mit weitreichenden Folgen für die Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen. Der Zusammenhalt der Familien wird oft zerstört. Jeden Tag sterben Mädchen und Jungen durch häusliche Gewalt. Nirgendwo anders werden auch so viele junge Menschen ermordet wie in dieser Region - meist durch Jugendbanden. 

Mit sechs Zielen wurde ein Rahmen abgesteckt für Kooperationen:
 
1.    Bildungsergebnisse für Kinder und Jugendliche sollen verbessert werden.
2.    Wirtschaftliche Möglichkeiten für benachteiligte Jugendliche sollen erschlossen oder erweitert werden.
3.    Gewalt in der Familie und im lokalen Kontext soll reduziert werden.
4.    Über die Risiken einer unsicheren Migration sollen Kinder und Erwachsene informiert sein.
5.    Den Gemeinschaftssinn und die soziale Zugehörigkeit bei Kindern und Jugendlichen möchten wir stärken.
6.    Jugendliche aus problematischen Verhältnissen sollen weniger bzw. gar nicht stigmatisiert und ausgegrenzt werden. 

Zu den Partnern der Initiative gehören Kinder und Jugendliche mit ihren eigenen Netzwerken, Kirchen, verschiedenste nicht-staatliche Organisationen, lokale und nationale Regierungsorgane, Unternehmen und Führungskräfte aus der Wirtschaft, nationale und internationale Entwicklungsagenturen, Hochschulen und Think-Tanks sowie Medien und Künstler. 

Patenkind Melissa spielt sorglos mit ihren Geschwistern. Ihre Familie und ihr Dorf haben Hilfe durch World Vision erhalten.
Jugendliche machen im Rahmen von "Youth Ready" gemeinsam Hausaufgaben

Eine Zusammenarbeit mit Regierungen ist unter anderem wichtig, um das Leben der Kinder in Mittelamerika sicherer zu machen und die großen Ungleichheiten ihrer Chancen zu reduzieren. Für Kinder indigener Familien auf dem Land sind zum Beispiel die Wege zu einer Berufsausbildung oft zu weit und die Kosten nicht tragbar. Öffentliche Schulen sind fast nur im Umfeld der Städte gut ausgestattet. Schon bei den Lese-und Rechenfertigkeiten der Grundschulkinder macht sich das bemerkbar. Ein Großteil der jungen Männer, die aus Mittelamerika in Richtung USA auswandern, hat aus solchen Gründen bereits die Grundschule vorzeitig verlassen.

World Vision trifft in allen Ländern Absprachen mit den Bildungsministerien, um Rahmenbedingungen für erfolgreiches Lernen in den Grundschulen zu verbessern und Übergänge zu weiterführenden Schulen oder Ausbildungsangeboten zu erleichtern. Manchmal müssen für einen speziellen Kontext maßgeschneiderte Lösungen erarbeitet werden. Wir haben dies beispielsweise für Kinder wandernder Saisonarbeiter in Kaffeeanbauregionen getan - und natürlich die Betroffenen wie auch die Unternehmen einbezogen. 

Gute Bildung umfasst natürlich auch Angebote außerhalb der Schulen. In armen ländlichen Gebieten herrscht daran großer Mangel, und deshalb fördern World Vision-Projekte auch Sport und Musik, die Pflege kultreller Traditionen und Kinderclubs. 

 

Kinder in einer Schule in Honduras, die mit der Methode "Erziehung zur Zärtlichkeit" von World Vision arbeitet
Musikunterricht in einem World Vision-Projekt in Guatemala

Mit "Youth Ready" hat World Vision zudem ein ganzheitliches Modell zur Jugendförderung entwickelt. Es hilft tausenden Teenagern ihre Potentiale zu entdecken, Pläne für ihre Zukunft zu entwickeln, mit Krisen umzugehen und sich auf das Berufsleben vorzubereiten. In einer ersten Phase finden sich die Jugendlichen in Gruppen zusammen, in denen sie - von Mentoren betreut - gemeinsam sparen, lernen, experimentieren und Sozialprojekte durchführen. In der zweiten Phase werden sie dann durch ein Netzwerk von Partnern dabei unterstützt, Ideen für ihr Berufsleben umzusetzen.

Aus Migrant wird Unternehmer: Coaching für die Jugend im Hochland

Im westlichen Hochland von Guatemala lebt Erick, ein gelernter Schneider. Vor vier Jahren machte er - frisch verheiratet - einmal den Versuch illegal in die USA einzuwandern. "Ich wollte meine Familie voranbringen, und da ich in meiner Heimat keine Möglichkeit habe zu studieren, wollte ich wenigstens Geld für die Ausbildung meiner Geschwister verdienen", erklärt er seine Motivation. Mehr als 80 Prozent der Jugendlichen aus der indigenen Bevölkerung wachsen in großer Armut auf und haben geringe Chancen, Jobs im offiziellen Arbeitsmarkt zu finden.

Ericks Gruppe wurde jedoch vor Houston gestoppt, und nach 20 Tagen im Gefängnis ohne Kontakt nach außen kehrte er schließlich heim. Letztes Jahr wurde er Vater und dachte deshalb erneut über eine Auswanderung nach, als er von World Vision's Projekt "Puentes" erfuhr. In diesem Projekt arbeitet World Vision mit 10 Partnern daran, jungen Menschen zwischen 15 und 24 Jahren Berufsperspektiven zu eröffnen. Erick ließ sich auf ein Coaching ein, und entwickelt sich gerade zum Unternehmer. Er will T-Shirts mit Maya-Motiven exportieren. Erick ist so motiviert, dass er sich auch zum Trainer für Jugendliche ausbilden ließ. 

Programme wie "Puentes" vermitteln jungen Leute Praktika in Unternehmen, verbinden sie auch mit Mentoren und Unternehmensberatungen. Begleitend dazu werben Kampagnen dafür, gefährdete Jugendliche zu unterstützen und einzustellen. 

 

Erick aus Guatemala arbeitet an der Umsetzung seiner Geschäftsidee.

Gestärkte Familien sind Keimzellen neuer Hoffnung


Das Fundament guter Entwicklungsmöglichkeiten wird natürlich schon in der Kindheit gelegt. Besonders die Beziehungen  im familiären Umfeld sind dabei prägend. Wenn Eltern jedoch fern von zuhause nach Jobs suchen müssen - die oft auch schlecht bezahlt sind -, können sie ihren Kindern kaum Geborgenheit und Anregungen geben. Auch für lokales Engagement, das die Gemeinschaft fördern könnte, haben sie weder Zeit noch Energie. In dieser Situation treffen die Mitarbeiter von World Vision in Mittelamerika viele Familien an, wenn sie Entwicklungsprogramme starten. 

So auch bei Francisco und Carmen Rodriguez aus Honduras mit ihren drei KIndern. Der Vater war  meist abwesend in seinem Dorf, denn er suchte Gelegenheitsarbeiten in einer Stadt - meist auf dem Bau. "Oft verdiente er nur so viel, dass es für einen Tag reichte", erinnert sich seine Frau Carmen. "Es war schwierig für uns zu überleben." War Francisco zuhause, so trank er oft, um seine Probleme zu verdrängen. "Meine Kinder und ich wussten nie, was er im nächsten Moment mit uns tun würde", sagt Carmen. "Es war eine sehr schlimme Zeit". Dann erhielt Francisco durch World Vision das Angebot zu lernen, wie er aus seinem Land eine rentable Farm machen konnte, und er ließ sich darauf ein. Die Zusammenarbeit brachte ihn auch Kirchenmitgliedern näher, die über unser "Channels of Hope"-Programm dazu motiviert worden waren, sich für Familien mit Problemen und besonders für die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen einzusetzen. "Von dem Moment an hat sich ganz viel bei uns verändert", berichtet Carmen. Francisco nimmt sich Zeit für die Familie und sagt: "Bei uns zuhause gibt es keinen Machismo mehr." Das nehmen auch die Kinder wahr. 

Die Familie von Franzisco hat neue Hoffnung, seit der Vater nicht mehr auswärts arbeitet und zuhause trinkt. Landwirtschaftshilfen und Familienberatung durch World Vision in Honduras
Mehr Gleichberechtigung für Frauen und Mädchen fördert den Zusammenhalt der Familien in Guatemala.

Netzwerke für Gewalt-Prävention wachsen

In Bezug auf häusliche Gewalt und Morde an Kindern verzeichnet Mittelamerika leider Spitzenwerte. Junge Unternehmer klagen zudem darüber, ihre Geschäftsideen aufgrund von Erpressungen häufig aufgeben zu müssen. In diesem Klima der Unsicherheit erscheint Migration dann als letzter Ausweg, denn staatlichen Strukturen vertrauen viele Menschen wegen der fehlenden Strafverfolgung nicht mehr. 

Laut einer 2017 von World Vision angestoßenen Studie zu Wahrnehmungen der Gewalt in 13 Ländern  glauben mehr als 80 Prozent der Bevölkerung in El Salvador, dass die Gewalt gegen Kinder in den letzten 5 Jahren zugenommen habe, und mehr als 60 Prozent halten die Regierung für unfähig oder unwillig, dagegen etwas zu unternehmen. Über 90 Prozent der Befragten wünschen sich mehr Zusammenarbeit der Zivilgesellschaft in der Gewaltprävention. "Aus diesem Grund halten wir es für dringend erforderlich, in größerem Umfang zu handeln als in der Vergangenheit", schlussfolgert World Vision im Report zur Studie. "Wir werden nicht ruhen, bis jeder Erwachsene und jede Institution Mitverantwortung übernimmt um ein schützendes, förderndes Umfeld für Kinder zu schaffen."

Ein Wandel hin zu einer Kultur des Friedens erfordert eine Auseinandersetzung mit den Werten, Normen und sozialen Ungerechtigkeiten, die Gewalt von Generation zu Generation übertragen. 

Zehntausende Eltern,  Pädagogen und auch kirchliche Partner hat World Vision in seinen Projektregionen bereits für die Kinderrechte und eine Erziehung ohne Gewalt sensibilisiert. Mit einem für Gruppen entwickelten Curriculum überdenken Erwachsene Probleme in Beziehungen und eigene Wunden durch Gewalt, die sie selbst daran hindern, ihre Kinder erzieherisch gut zu begleiten und zu fördern. Sie üben auch Verhaltensänderungen auf der Basis christlicher Werte ein. Ziel ist ein Umgang mit Zärtlichkeit, den auch Kinder und Jugendliche vermittelt bekommen - zum Beispiel über mitwirkende Schulen und in Kinder-Netzwerken.. 

Allianzen für den Kinderschutz und die Beendigung von Gewalt werden systematisch ausgebaut. Ein aktuelles Beispiel dafür ist ein gemeinsamer Marsch unter dem Motto "Footsteps for Tenderness" (Fußspuren der Zärtlichkeit) durch 22 Länder in Lateinamerika und in der Karibik. In den Besuchten Orten wird für für konkrete Vereinbarungen geworben. Startpunkt war im Juni: Tijuana!