Befreite Kindersoldaten im Südsudan nehmen Hilfe an
Im Schatten von Mangobäumen sitzen Grüppchen von Jungen an blauen Stahltischen. Dominosteine werden ausgebreitet, Karten gemischt und gelegt. Spiele entfalten sich. Es ist die Rede von einer Revanche zum gestrigen Fußballspiel am Abend; sie machen Witze darüber, wer gewinnen wird.
Vor etwas mehr als einem Monat konnte man sich diese Szene noch nicht vorstellen. Viele der jetzt vor mir sitzenden Teenager waren noch mit bewaffneten Gruppen verbunden, die auf die eine oder andere Weise in den Konflikt im Südsudan verwickelt waren. „Im Busch haben wir die Tage damit verbracht, Waffen zu tragen und uns Sorgen zu machen, wann die Feinde kommen“, erzählt der 17-jährige Alex*. Er ist froh, dass seine Zeit als Kindersoldat nun vorbei ist.
Im Februar waren im Südsudan 311 Jungen und Mädchen in einem offiziellen Akt frei gelassen worden. Seither konnte die Mehrheit der Jugendlichen zu ihren Familien zurück kehren, und Sozialarbeiter von World Vision besuchen sie dort, um ihnen die Rückkehr in ein normales Leben zu erleichtern. Diejenigen Teenager, die ihre Familien aus den Augen verloren hatten, wurden in die Obhut einer Zwischenstation gebracht. Dort kümmern sich ebenfalls Sozialarbeiter von World Vision um sie, während die Suche nach Familien und Pflegefamilien läuft. Alex findet: „Das Leben hier ist viel besser als im Busch. Hier dürfen wir einfach spielen und essen. Hier fühlen wir uns sicher.“
„Zuerst waren die Jugendlichen verschlossen und reserviert, sie brauchten Zeit“, berichtet Christine Asienzo, eine der Sozialarbeiterinnen von World Vision. „Aber jetzt haben sie sich geöffnet, sind freundlich und gehen frei miteinander um. Einige können ihre Erlebnisse, die sie noch nie zuvor jemandem erzählt haben, mit uns teilen. Sie nehmen Hilfe an, betrachten die Sozialarbeiter als Freunde.“
Trotzdem gibt es noch viel zu tun.
Etwa ein Viertel der Kinder und Jugendlichen leiden unter Depressionen und anderen psychischen oder sozialen Problemen. „Sie denken zurück an das, was im Busch passiert ist. Sie haben das Töten miterlebt, sie haben den Kontakt zu ihren Familien verloren, sie wurden gezwungen, so viele schlimme Dinge zu tun. Das hat sie hart getroffen“, sagt Christine.
Um Teenagern mit Selbstmordgedanken gezielt helfen zu können, arbeitet World Vision mit Médecins Sans Frontières (MSF) zusammen. Die Kooperation ermöglicht eine umfassende Beratung durch einen ausgebildeten Psychologen.
Angelo betreut die über 40 Jungen, die sich in der Sozialstation aufhalten, seit der Nacht ihrer Ankunft. Er berichtet von den Herausforderungen: „Diese Jungs haben unterschiedliche Hintergründe, auch unterschiedliche Erfahrungen aus ihrer Zeit im Busch und sie sind Teenager. Sie treffen Entscheidungen sehr schnell und wir mussten Kämpfe zwischen ihnen beenden. Am Anfang gibt es immer Herausforderungen, aber jetzt wird es besser. Wir haben gesehen, wie sich ihr Verhalten geändert hat und erwarten, dass es sich in einem Monat noch positiver entwickelt hat, dass sie sich besser anpassen werden.“
Die Teenager hätten den Wunsch nach vorne zu schauen, sagen die Sozialarbeiter. Alex bestätigt dies für sich: „Ich bin jetzt im Frieden – ich will ein Schuljunge sein.“ Um solche Hoffnungen nicht zu enttäuschen, sucht das Hilfsprogramm nicht nur nach Familien, sondern auch nach Chancen für Bildung und Job-Qualifizierung. Alex will Präsident des Südsudan werden. „Das erste, was ich tun würde, wäre, Frieden zu bringen und Bildung für alle Kinder. Diese beiden Dinge sind am wichtigsten.“
*Name zum Schutz des Kindes geändert
Autor und Fotos: Mark Nonkes