Wie Bibliotheken in Indien Perspektiven schaffen
Das Lesen, so heißt es, gehört der Vergangenheit an. Öffentliche und private Bibliotheken werden geschlossen, während E-Books an Popularität gewinnen und Informationen im Netz kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
Kinder verbringen keine Stunden mehr in Comics vergraben oder in Kriminalromanen, stattdessen findet man sie im Handy vertieft. Doch zugleich ist das Bedürfnis der Kinder, die Welt zu lesen und neu zu entdecken auch in diesem digitalen Zeitalter immer wichtiger geworden.
Um diese immer größer werdende Kluft zu überbrücken, hatte der 20-jährige Asif eine Idee. Sein College-Professor hatte der Klasse an diesem Tag eine Frage gestellt. Was wollt ihr in eurer Gemeinde tun? Einzige Bedingung: Es hatte etwas Innovatives zu sein.
Nach reiflicher Überlegung war Asif der Meinung, dass es einen großen Bedarf an einer öffentlichen Bibliothek in seiner Gemeinde gibt. Er lebte sein ganzes Leben in Dharavi und verstand, wie wichtig ein Raum für Kinder zum Lesen oder Ausleihen von Büchern ist. Als Mitglied der enthusiastischen Jugendgruppe (gebildet von World Vision Indien), schlug Asif der Gruppe die Idee vor.
Die Jugendgruppe war begeistert und entschied sich, die geplante Bibliothek im Gemeindezentrum selbst zu betreiben und außerdem den Kindern kostenlosen Unterricht zu geben. Um einen Grundstock an Büchern zu haben, sammelten die Jugendlichen Bücher von jeder Familie in der Gemeinschaft. Sie veranstalteten auch mehrere Buchspende-Aktionen in Hochschulen.
Die Bibliothek hat jetzt eine Sammlung von fast 600 Büchern. „Wir haben vor allem Lehrbücher, Märchenbücher, Malbücher, Grammatikbücher, Wettbewerbsbücher, Prüfungsvorbereitungsbücher,“ sagt Asif stolz. Die Gruppe hat auch Bibliotheksausweise für die Mitglieder erstellt und berechnet 20 Rupien als Mitgliedsbeitrag. Aktuell möchte die Gruppe mehr Bücher mit Geschichten für Kinder erwerben. „Kinder müssen lesen, um ihr Sprechen zu verbessern und auch, um mehr Selbstvertrauen zu gewinnen“, sagt Asif. „Sucht ist bei manchen Kindern schon in jungen Jahren vorhanden.“ Sie sind abhängig von Drogen, Rauchen, Handys, schlechten Gewohnheiten, schlechter Sprache, Fernsehen.
„Aus diesem Grund haben wir durch die Bibliothek versucht sie zu motivieren, wieder zur Schule zu gehen. Wir melden Kinder an und bereiten sie auf die Schule vor“, sagt Sunny, ein anderer Jugendlicher, der Kinder im Zentrum unterrichtet. Neben der Bibliothek betreiben die Jugendlichen auch ein Schulungszentrum (morgens und nachmittags) für Kinder, die es sich nicht leisten können. Das Schulungszentrum wurde von World Vision gegründet. „Wir waren schockiert, als wir herausfanden, dass Kinder der fünften Klasse nicht in der Lage sind, zu lesen und zu schreiben“, sagt Asif. „Das ist seit der Gründung der Bibliothek schon viel besser geworden.“