Nancy ist ein ehemaliges Patenkind das Dank der Unterstützung ihrer Patin heute selber erfolgreich ist

Eine Freundschaft über zwei Kontinente

Wie eine Patenschaft zwei Frauen verbindet
Autor: KSzeltner  | 
15. Oktober 2018
Autor: KSzeltner
Georgie ist eine ehemalige Patin
Nancy ist ein ehemaliges Patenkind

Nancy wuchs in Oltepesi auf, einem trockenen Flachlandgebiet, das traditionell von den Maasai besiedelt wird. Als ihre Eltern sich trennten und ihre Mutter in eine Maasai-Familie einheiratete, zog sie mit ihr, ihrer Schwester und ihrem Bruder dorthin. Sie lebten in einer traditionellen Hütte ohne fließendes Wasser.

Als ich um Wasser bat, brachten sie mir eine braune Flüssigkeit, die wie afrikanischer Tee aussah.
Nancy

„Ich sagte ihnen, ich will keinen Tee, ich will Wasser. Sie sagten, das ist Wasser... Es war Wasser aus einem Teich.“ Langsam lernte Nancy die Sprache, Kultur und Traditionen der Maasai kennen. Ihrer Familie ging es gut. Sie hatten 200 Schafe und 500 Rinder und Nancy lernte, sich um sie zu kümmern. „In meiner Gemeinde waren die Frauen für das Wasserholen zuständig. Sie trugen es auf dem Rücken von bis zu fünf Kilometer entfernten Wasserstellen. Mit den Eseln liefen sie manchmal sogar bis zu zehn Kilometer, um an sauberes Wasser zu kommen.“ Obwohl es die Frauen waren, die früh aufstanden und sich um die Kühe, Schafe und Ziegen kümmerten, durften sie nicht über das Vieh entscheiden.

Nancy träumte von einem anderen Leben. Sie wollte zur Schule gehen. Doch ihr Stiefvater hielt nichts davon und wollte ihr keine Schuluniform kaufen. In ihrer Gemeinde wurde kein Mädchen ermutigt, zur Schule zu gehen. „Ein Mädchen wurde als minderwertig gegenüber einem Jungen angesehen und das ist heute noch so“, sagt Nancy. „Ich war sehr gut in der Schule, ich war Klassenbeste.... aber es gab Beschwerden aus der Gemeinde. Ich sollte nicht besser sein als die Jungen in meiner Klasse.“ Als die Mädchen heranwuchsen, wurde eines nach dem anderen verheiratet. Mit 15 Jahren war Nancy das einzige Mädchen, das noch zur Schule ging.

Nancy hatte die Möglichkeit eine Schule zu besuchen und einen Abschluss zu machen
Nancy hatte die Möglichkeit eine Schule zu besuchen und einen Abschluss zu machen

Zur Schule gehen dank Patenschaft

Das war nur durch ihre Patin Georgie möglich, die auch für eine Schuluniform sorgte: Ein einfaches hellblaues Kleid mit einem dunkelblauen Kragen, eines wie es viele kenianische Mädchen tragen. „Ich hatte keine Ahnung, warum meine Maße genommen wurden. Aber als ich in der Schule ein Päckchen bekam und es auspackte, sah ich die neue Uniform und war überglücklich. Ich konnte nicht glauben, dass sich jemand so für mich interessierte und mir eine Schuluniform schenkte.“ Wenn Nancy heute daran denkt, muss sie weinen. Damals war sie elf und konnte sich nicht vorstellen, dass die Patenschaft ihr Leben so verändern würde. Auch Georgie hatte keine Ahnung, was ihre Hilfe bewirken würde. Die neue Schuluniform war wunderschön und versprach eine aufregende Zukunft. Mit ihr begann ein neues Leben für Nancy. 

Patenschaft wirkt in der ganzen Gemeinde

Die Patenschaft für Nancy kam auch der gesamten Region zugute. Florence, die damals für World Vision vor Ort arbeitete, erzählt von den Veränderungen: Die Kinder erhielten neue Uniformen, Bücher, Taschen und Kleidung. Die Schule wurde erweitert, neue Klassenzimmer gebaut und ein Wassertank installiert. Gleichzeitig wurden medizinische Untersuchungen und Gesundheitsstationen unterstützt und die Menschen für bestimmte Gesundheitspraktiken sensibilisiert. Im gesamten Projektgebiet rief World Vision Wasserprojekte ins Leben. 

World Vision-Mitarbeiterin Florence war für Nancy immer ein Vorbild gewesen. Ihre Kraft und ihre Position hatten Nancy begeistert. Bis Florence in ihr Leben trat, gab es wenig, was Nancy ermutigte, sagt sie rückblickend: „Ich beobachtete, wie die Mädchen aus unserer Nachbarschaft eines nach dem anderen heirateten. Sie gingen nicht in die Schule und ihre Geschichten waren anders als meine. Was ich wollte, war anders als das, was sie wollten. Ich fühlte mich allein und so anders.“

Florence und Nancy sind inzwischen Freundinnen geworden
Florence, ehemalige Mitarbeiterin von World Vision

Nancy hatte nie das Gefühl, dass sie sich anpassen könnte. Sie floh in die Welt der Bücher und las alles, was sie in die Finger bekam. Überall war sie mit einem Buch in der Hand zu sehen, bei den Tieren, beim Einkaufen und sogar in der Latrine. Zuhause fühlte sie sich immer unerwünscht: „Ich hatte das Gefühl, dass da etwas war. Dass etwas mit mir nicht stimmte. Die Schule wurde zu meinem Zufluchtsort.“

Jedes Mal, wenn ich aufwachte und zur Schule ging, war ich begeistert, weil ich vor den Problemen zu Hause davonlaufen konnte.
Nancy

Briefe der Patin geben Hoffnung

Georgie aus Australien war 20 Jahre alt als eine Dokumentation über die Arbeit von World Vision in Afrika sie so bewegt hat, dass sie selbst beschloss, eine Patenschaft zu übernehmen: „Es ging darum, zu geben, und ich hoffte, etwas bewirken zu können“, erzählt Georgie.

Nancy schickte ihr Briefe und Zeichnungen über das Leben in ihrem Dorf und Georgie schrieb ihr zurück. In ihrem ersten Brief schickte sie auch Bilder von sich und ihrer Familie. Sie erzählte Nancy von ihrem Leben und ihrer Arbeit in Melbourne. Sie ermutigte ihr Patenkind, an ihre Träume zu glauben und sie zu verwirklichen.

Diese Briefe bedeuteten Nancy sehr viel. „Ich erinnere mich besonders an einen ihrer Briefe, in dem Georgie schrieb: Dein Foto ist in meinem Schlafzimmer und jedes Mal, wenn ich aufwache, sehe ich dein schönes Lächeln.“ Das löste viel in Nancy aus: „Ich fühlte endlich, dass alles mit mir in Ordnung ist.“

Nancy ist ein ehemaliges Patenkind

Was Patenschaft bewirken kann

Ich hatte das Gefühl, es gibt da draußen jemanden, der sich kümmert. Der mich nicht verurteilt. Und der sich für mich interessiert.
Nancy

Dank der Patenschaft konnte Nancy auf die High School gehen, denn Georgie bezahlte ihre Schulgebühren. Als Nancy ihren Abschluss machte und an die Universität ging, um Tiermedizin zu studieren, spürte sie, wie Georgies Großzügigkeit langfristig half: „Ich bekam eine zweite Chance im Leben.“ Obwohl sie sehr weit voneinander entfernt leben, fühlt sich Nancy bis heute mit Georgie verbunden: „Ich möchte Georgie zeigen, was ihre Unterstützung bewirkt hat. Was ich durch ihre Hilfe geworden bin. Was sie für mich getan hat, war nicht umsonst.“

Nancy arbeitet nun selbst in einer NGO
Nancy unterstützt Waisenkinder finanziell

Nancy will etwas von dem, was ihr durch die Patenschaft widerfahren ist, auch an ihre Gemeinde zurückgeben. So kümmert sie sich um ihre Mutter, ermöglichte ihrem Bruder den Schulbesuch und hilft verwaisten Kindern, die Schule zu besuchen. „Durch den High School-Abschluss habe ich gemerkt, dass ich alles schaffen kann, was ich mir vornehme. Er hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin“, sagt sie.

Nach ihrem Studium war Nancy als Mitarbeiterin der humanitären Hilfe zunächst in Äthiopien und im Südsudan. Später arbeitete sie in Nordkenia in den Bereichen Landwirtschaft und Viehzucht, als Finanzberaterin für eine gemeinnützige Organisation und seit 2018 ist sie Leiterin der Nothilfe Ostafrika für die Organisation CARE.

Viel hat sich bei Nancy verändert. Sie konnte genug sparen, um ein eigenes Haus zu kaufen, in dem sie mit ihrer 10-jährigen Tochter lebt. „Eines der Dinge, die ich gelernt habe, ist, meine Tochter zu loben. Ich ermutige sie, auf sich selbst stolz zu sein, so wie ich stolz auf sie bin“, sagt Nancy.