Unvergessen - die erste warme Mahlzeit für Patenkind Sergio
Aus Argentinien hat uns der sehr bewegende Bericht unseres ehemaligen Patenkindes Sergio erreicht. Geboren und aufgewachsen in Chile ist der heute 41-Jährige überzeugt: „Ohne World Vision hätte ich diesen zerstörerischen Kreislauf aus Gewalt und Armut nie hinter mir lassen können.”
Hoffnungslosigkeit und Armut prägten lange Zeit seine Kindheit, bis er auf World Vision traf, genau dann, als er am meisten Hilfe benötigte. Seine erste warme Mahlzeit bei World Vision ist ihm unvergessen und dass ein Pate sich für ihn engagiert hat, empfand er als ein Wunder! Aber lassen wir ihn seine Geschichte selbst erzählen:
Ich wurde 1978 in Viña del Mar in Chile als jüngster von sieben Brüdern geboren. Meine Eltern arbeiteten hart, aber wir waren trotzdem sehr arm und die Umstände schwierig: Seit 1973 regierte unter August Pinochet eine Militärregierung, 1982 kam es zu einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise und 1985 wurde Chile von einem sehr starken Erdbeben erschüttert.
In dieser Situation wurde unsere Armut immer schlimmer, Jobs wurden weniger und wir verloren die Hoffnung. Ich habe unter Hunger und Kälte gelitten und unter der Verachtung der Menschen.
Ich kann mich sehr gut an die Bauchschmerzen erinnern, die vom Hunger kamen, diese stechende Hitze im Magen, verursacht durch eine unbeschreibbare Leere, und dass ich vor Hunger nicht schlafen konnte.
Ich weiß noch, dass ich als Achtjähriger mit vielen anderen Kindern auf den Markt ging und nach Essen fragte. Dort gaben sie uns Gemüse, das sie nicht mehr verkaufen konnten – schlechtes Gemüse, welk und vergammelt. Ich brachte es nach Hause und wir kochten unsere Mahlzeiten daraus.
Täglich drehte ich meine Runden auf Müllbergen, durch Autowracks und über Schrottplätze, habe in Gräben und der Kanalisation gespielt – eine Flucht vor der Armut in der Familie. Mein Vater wanderte nach Venezuela aus, in der Hoffnung auf Arbeit. Es war sehr traurig.
Als ich in die Grundschule ging, habe ich angefangen zu arbeiten: Ich sammelte Kamille, die wild bei uns wuchs. Für ein oder zwei Kilogramm bekam ich nach sechs Stunden Arbeit doch nur ein paar Münzen. Trotzdem war es für mich ein Erfolg. So ging es viele Jahre – ich pflückte Kamille, spielte in den Abwassergräben der Stadt, suchte nach Essbarem und versuchte zu überleben.
Einige meiner Lehrer organisierten einen Kirchenchor, zu dem ich eingeladen wurde. Neben dieser Kirche gab es einen Ort, an den viele Kinder und Jugendliche gingen. Es war eine Art großer Speisesaal, wo Menschen zusammenkamen, die über verschiedene Dinge sprachen, auch über den Glauben – und es gab etwas zu essen. Eine warme Mahlzeit! Ich werde nie vergessen, wie gut sie geschmeckt hat.
Wie gut diese erste warme Mahlzeit geschmeckt hat – ich werde es nie vergessen.
Dieser Ort war ein World Vision-Zentrum, genau da, wo ich es brauchte. Ich kann es gar nicht richtig in Worte fassen, was das Zentrum für mich und einen meiner Brüder bedeutete: Wir erlebten Hoffnung, Liebe, Respekt und erhielten unsere Würde zurück. Ich weiß nicht genau, wie das passiert ist. Vielleicht geschahen an diesem Ort viele Wunder gleichzeitig und wir waren diejenigen, die sie erlebten.
Im World Vision-Zentrum ging ich viele Jahre ein und aus, mit vielen Menschen, den meisten davon Freiwilligen. Ich wurde ein World Vision-Patenkind. Das alles ist vor 33 Jahren passiert – ganz ohne soziale Netzwerke, ohne Internet, ohne die heutige Vernetzung spendete jemand einen Teil seiner Zeit und seines Geldes für ein Kind, das er nicht kannte und das 20.000 Kilometer weit entfernt lebte.
Warum auch immer mein Pate sich für mich engagiert hat, es war fantastisch für mich. Es erschien mir wie ein Wunder.
World Vision hat meinem Körper, meinem Geist und meiner Seele Nahrung gegeben. Die Mitarbeiter und ihre Arbeit beflügelten mich. Sie vertrauten mir, halfen mir und unterstützen mich mit Unterhalt und Nahrung für die nächsten acht Jahre bis ich etwa 15 oder 16 Jahre alt war. Später zog sich World Vision aus meiner Gemeinde zurück, aber da war für viele Kinder bereits das Fundament gelegt worden für eine Zukunft ohne Armut und Gewalt.
Ich schrieb mich für Ingenieurwesen an einer der besten Universitäten des Landes ein. Um mein Studium bezahlen zu können, nahm ich einen Kredit auf und zahlte meine Schulden später ab, Jahr für Jahr. In Chile ist Bildung teuer, aber das störte mich nicht, denn ich war mir sicher, dass es irgendwie weitergehen würde. Ich wurde Industrie-Ingenieur und meine Aufträge brachten mich an viele Orte in verschiedenen Ländern.
Heute lebe ich mit meiner Familie in Argentinien. Ich bin sehr dankbar, dass es World Vision gibt und seine Mitarbeiter und das Engagement, das sie antreibt. Ohne sie hätte mich eine Zukunft mit Armut und Gewalt erwartet. Dank der Unterstützung meines Paten und durch World Vision konnte ich beides überwinden.