"Nichts als Klagen" betitelt DIE ZEIT gerade einen Artikel über den Streit in Deutschland, ob Kinder in Corona-Zeiten zur Schule gehen sollten oder nicht. In vielen anderen Ländern haben Eltern gar nicht die Möglichkeit vor Gericht zu ziehen, wenn es für ihre Kinder gefährlich oder unmöglich ist die Schule zu besuchen. Und in manchen Regionen der Welt häufen sich die Anlässe für Schulschließungen - durch Katastrophen und andere Krisen. Diese Situation erfordert innovative Antworten.
Schulkinder in Simbabwe – speziell in den Regionen Chimanimani und Chipinge – fingen in diesem Frühjahr gerade erst an, sich von den Auswirkungen des Wirbelsturms Idai auf ihre Bildung zu erholen. Nun müssen diese Schülerinnen und Schüler wie Millionen anderer Menschen auf der ganzen Welt auch noch mit der Pandemie fertig werden, die die Welt zum Stillstand gebracht hat. Die Schulen sind wieder geschlossen, und die Kinder sind derzeit aufgrund der von der Regierung verhängten Sperren meist zuhause.
Online-Bildung hilft vor allem Kindern in den größeren Städten weiter zu lernen, aber viele Kinder sind davon ausgeschlossen, insbesondere die ärmsten Kinder und solche in ländlichen Gebieten. Die Unterbrechung des Bildungsangebots und vieler mit den Schulen verbundener Aktivitäten, wirkt sich negativ auf das Wohlbefinden der Kinder aus und gefährdet auch ihre Lebenschancen. Sie hat auch viele Eltern in eine schwierige Situation gebracht.
Welche Möglichkeiten hat ein verarmtes Land wie Simbabwe, den Schulunterricht auch während einer Katastrophe fortzusetzen?
World Vision arbeitet im Verbund mit Plan International und Save the Children an Lösungen, die auch nach der Pandemie noch von Nutzen sind. Der Zusammenschluss kooperiert eng mit dem Bildungsministerium des Landes und erhält Unterstützung vom Büro für humanitäre Hilfe der EU.
Da selbst auf dem Land überall Mobiltelefone vorhanden sind, haben die Organisationen sich dazu entschieden, mit dem System "Viamo" (Via Mobile) die erste mobile Lern-Plattform des Landes zu entwickeln. Die Viamo-Plattform in Simbabwe bietet Unterrichtseinheiten an, die vorab aufgenommen, von Experten auf ihre Qualität hin überprüft und nach Klassenstufe und Fach in Audio-Pakete verpackt werden. Die Lernenden empfangen den Unterricht über das Telefon mit interaktiven Sprachantworten. Dazu werden die Handynummern vorher in einer Datenbank des Dienstleisters gespeichert. Das Schöne an dieser Plattform ist, dass diese Lektionen auch von einem einfachen Telefon aus empfangen und mehrfach abgespielt werden können.
Das Radio ist auch eine Option, wenn die Kinder sich nicht mit Lehrerinnen und Lehrern treffen können. Viamo hat gegenüber dem Radio aber den Vorteil, dass sich die Schüler die Unterrichtseinheit mehrfach anhören oder Rückfragen stellen können, wenn sie etwas nicht verstanden haben. Und die Lehrer und Lehrerinnen erfahren so mehr, was die Kinder tatsächlich gelernt haben.
Wie das in der Praxis funktioniert, erklärt Dr. Tapiwa Muzerengi, der das Projekt in Simbabwe leitet. "Die Familien werden vorab über den Stundenplan informiert. Wenn dann zum Beispiel morgens um 8 Uhr eine Mathestunde beginnt, kommt auf dem Handy eine Nachricht an, und dann können sie die Unterrichtseinheit abrufen. Dabei können die Kinder auch auf Fragen und Aufgaben reagieren."
Betty Mhlanga fällt es mit Viamo leichter, ihren Sohn Thamuka beim Lernen zu unterstützen. "Mein Kind ist zappelig und seine Gedanken wandern oft, aber mit dieser Plattform kann ich ihn ganz gut unterstützen und dafür sorgen, dass seine Aufmerksamkeit beim Unterricht bleibt", sagt sie. "Ich bin froh, dass mein Sohn während des Lockdowns üben und Stoff wiederholen kann, damit er nicht alles vergisst, was er vorher gelernt hat."
Angebot kommt bei Kindern, Eltern und Lehrern gut an
In der Startphase beteiligen sich 45 Schulen mit rund 10.000 Schülerinnen und Schülern aus den jüngsten Jahrgangsstufen an dem Projekt. "Die Reaktionen von Kindern, Eltern, Lehrerinnen und Lehrern sind bisher sehr positiv", berichtet Muzerengi. "Sie sind dankbar für das Angebot und hoffen, dass es bald ausgeweitet werden kann."
Auch die Regierung begrüßt das von "Aktion Deutschland Hilft" geförderte Pilotprojekt. Im Mai stellten die Bildungspartner in einem Workshop Inhalte für die frühkindliche Entwicklung in der Sprache Ndau in Manicaland zusammen, und die Staatssekretärin im Ministerium für Grund- und Sekundarschulbildung begleitete den Prozess. Tumisang Thabela dankte World Vision für die Leitung dieser innovativen Arbeit, ohne die es nicht möglich sei, eine gute und integrative Bildung in einer Krise aufrecht zu erhalten . "Unsere gegenwärtige Situation fordert uns ab, inmitten einer Hungersnot, der COVID-19-Pandemie und während wir immer noch unter den Auswirkungen des Zyklons Idai leiden, Bildung anzubieten. Die Kinder müssen weiter lernen können! Ihre Zukunft kann nicht warten. Auch unsere Zukunft kann nicht warten. Wenn wir nichts unternehmen, laufen wir Gefahr, dass die Kinder mit großen Problemen in die Schulen zurückkehren, und wir müssen dann einen Neuanfang machen. Wir haben also keine andere Wahl, als diese Technologien für die jetzt mögliche Bildung zu nutzen, während wir die nächsten Schritte gehen", sagte sie. Auf der anderen Seite stelle das Ministerium auch sicher, dass die Inhalte den nationalen Lehrplänen entsprächen.
Die Kinder müssen weiter lernen können! Ihre Zukunft kann nicht warten. Auch unsere Zukunft kann nicht warten.
In Afrika kommen weitere Herausforderungen hinzu: Um Kinder in allen Gebieten zu erreichen, müssen die Unterrichtseinheiten für Simbabwe zum Beispiel in 16 offizielle Sprachen übersetzt werden. Andererseits kann man sie in Radiosendungen übernehmen, damit noch mehr Kinder teilnehmen können. Das Bildungsministerium arbeitet mit verschiedenen Medien zusammen, um die Übertragung zu erleichtern. Es möchte Lerninitiativen entwickeln, die über die COVID-19-Pandemie hinausreichen, um Störungen im Bildungssektor auch bei anderen Notfällen zu verringern.