25.11.2024

Orange Vision: eine Welt ohne Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Wie gewaltlose Paarbeziehungen Kindern zugute kommen

Autor: IManner

Unter dem Motto "Orange the World" macht UN-Women mit vielen Unterstützern weltweit seit 1991 zwischen dem 25. November und dem 10. Dezember, dem internationalen Tag der Menschenrechte,  auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam. Die Farbe Orange steht dabei für eine Zukunft, in der alle Frauen frei von Gewalt leben können. Damit kann sich auch World Vision gut identifizieren. 

"Das Thema geht uns alle an", sagt Janine Lietmeyer, Vorständin von World Vision Deutschland. Sie hat in diesem Jahr aus erster Land von geflüchteten Frauen aus der Ukraine und aus dem Sudan erfahren, wie dringend nötig Hilfsangebote für betroffene Frauen sind. Sie fand in diesen Frauen auch starke Fürsprecherinnen für einen besseren Schutz vor physischer und psychischer Gewalt in Krisensituationen. 
 

World Vision-Vorständin Janine Lietmeyer über das Engagement von World Vision zum Schutz von Frauen vor Gewalt

Janine LIetmeyer zum internationalen Tag der Beseitigung von Gewalt gegen Frauen

Die Programme von World Vision befassen sich mit verschiedenen Formen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, darunter weibliche Genitalverstümmelung, Kinderheirat und Gewalt in der Partnerschaft. Manch einer mag sich fragen, warum sich eine Kinderhilfsorganisation mit Gewalt in Paarbeziehungen befasst. Der Grund dafür ist, dass es zahlreiche Zusammenhänge zwischen dieser (tatsächlich auch häufigsten) Art von Gewalt und dem Wohlergehen von Kindern gibt. Die negativen Auswirkungen dieser Gewalt gehen über die einzelnen Frauen und Männer hinaus und betreffen in dreifacher Hinsicht auch die Kinder in ihren Haushalten:

Erstens treten Gewalt in der Partnerschaft, Kindesmisshandlung und Vernachlässigung häufig in denselben Haushalten auf. Hier ist ein Blick auf die Gesamtsituation erforderlich, um die Lage nachhaltig zu verbessern.

Zweitens wirkt sich das Erleben von Gewalt in der Partnerschaft direkt auf das Wohlbefinden der Kinder aus. Betroffene Frauen (es könnten aber auch Männer sein) , weisen laut einer Studie zu dem Thema ein höheres Maß an emotionaler Belastung auf. Dies beeinträchtigt ihre Fähigkeit, sich um die Kinder zu kümmern. World Vision hat im Nahen Osten und in Osteuropa Untersuchungen durchgeführt, um die Zusammenhänge zwischen der Stärkung der Rolle der Frau und dem Wohlergehen ihrer Kinder zu untersuchen. In Syrien ergab die Untersuchung, dass, wenn Frauen vor Gewalt in der Partnerschaft geschützt sind, ihre Kinder mit größerer Wahrscheinlichkeit eine positive Einstellung zum Lernen, eine bessere Ernährungsvielfalt und eine gute psychische Gesundheit haben und selbst vor Gewalt geschützt sind. 

Drittens: Wenn Kinder Gewalt in der Partnerschaft gegen ihre Mütter erleben, werden sie mit höherer Wahrscheinlichkeit auch im Erwachsenenalter Gewalt erleben oder ausüben. Der generationenübergreifende Kreislauf der Gewalt kann nur dann durchbrochen werden, wenn die Familien bzw. Haushalte friedliche Orte sind, an denen Kinder und Erwachsene ein gewaltfreies Leben führen.

Mutter mit Kind in einem von World Vision geförderten Frauenhaus in der Ukraine
Mütter brauchen im Krieg auch Zufluchtsorte, um der Gewalt durch Partner zu entkommen.

Junge Frauen bringen häufig schon Gewalt-Erfahrungen aus ihrer Kindheit in eine Paarbeziehung mit: diese reichen von Grenzüberschreitungen bei Äußerungen und Berührungen bis zum emotionalen und körperlichen Missbrauch. Mädchen dafür zu schützen und ihre Umwelt für ihre Rechte zu sensibilisieren, hat für die kinderorientierte Entwicklungsarbeit von World Vision hohe Priorität - wie auch wie ihre gleichberechtigte und aktive Teilhabe in der Gesellschaft ein Schlüssel für die "orangene Vision" ist.

Wir sind uns der entscheidenden Rolle bewusst, die Männer und Jungen bei der Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und der Stärkung der Rolle von Frauen und Mädchen spielen. Projekte von World Vision arbeiten unter anderem mit Männerdialog-Gruppen, in denen bestehende schädliche Praktiken wie Kinderheirat, geschlechtsspezifische Gewalt und die hohe Arbeitsbelastung von Frauen und Mädchen diskutiert werden. Dies führte unter anderem in Äthiopien und Sri Lanka zu positiven Veränderungen im Verhalten der Männer, da ihre Frauen und Töchter über einen Rückgang der Gewalt in der Partnerschaft berichteten.

Gemeinsame Aktivitäten, etwa zur Sicherung der Ernährung oder Verbesserung der Gesundheit, können außerdem eine Plattform sein, um schädliche Machtstrukturen und Verhaltensweisen zu thematisieren. Bei einer Überprüfung des Projekts "Nobo Jatra" in Bangladesch wurde zum Beispiel festgestellt, dass sich die Frauen ihrer Rechte bewusst geworden waren und die Gewalt in Paarbeziehungen als Norm in Frage gestellt hatten. Männliche und weibliche Teilnehmer berichteten, dass sie sich in der Lage fühlten, Konflikte innerhalb ihrer Familien friedlich zu lösen.

Mit dem an christlichen Werten anknüpfenden Ansatz "Celebrating Families" spricht World Vision in der Entwicklungszusammenarbeit die ganze Familie an. Er fördert die gemeinsame Entscheidungsfindung in den Haushalten und die gleichberechtigte Aufgabenteilung zwischen den Ehepartnern im Haushalt, um gesunde Beziehungen in den Familien zu unterstützen, die sich durch Respekt und aufmerksame Zuwendung, Gewaltfreiheit und Gleichberechtigung der Geschlechter auszeichnen. 
 

1000 Girls - Patenschaften ermöglichen Mädchen wie Neha für ihre Rechte einzutreten
Neha ist einer Zwangsheirat entkommen und engagiert sich jetzt in einem World Vision-Projekt für die Rechte von Mädchen
Patenkind Aseb - mit Freundin - ist gegen Zwangsheirat und für die Gleichberechtigung der Frau.
Zwei selbstbewusste junge Frauen aus Äthiopien widersetzen sich diskriminierenden Rollen-Vorstellungen.

World Vision arbeitet auch mit religiösen Partnern zusammen, um das Problem der Gewalt in Paarbeziehungen anzugehen; Partner in der Glaubensgemeinschaft (insbesondere religiöse Führer) sind oft wichtige Türöffner in Gemeinden und Gesellschaften. Sie unterstützen Familien und reagieren häufig auf Gewalt in Haushalten. Im Rahmen des Ansatzes "Channels of Hope“ wurden bereits viele Erkenntnisse gewonnen, wie religiöse Gemeinschaften effektiv in die Prävention von Gewalt in Paarbeziehungen und in Kinderschutz-Maßnahmen eingebunden werden können.

Für Krisen-Situationen, die etwa durch Armutsprobleme, eine Katastrophe oder auch durch Krieg entstehen, hat sich die Unterstützung der mentalen Gesundheit als eine wirksame Strategie erwiesen, um Gewalt in Paarbeziehungen und Familien vorzubeugen. Das Spektrum der Hilfsmöglichkeiten in diesem Bereich ist groß, der Bedarf aber noch größer. Wir erleben dies besonders bei anhaltenden Krisen, unter anderem in Syrien und in der Ukraine und in Fluchtsituationen weltweit.