Besuch beim Patenkind in Guatemala – El Tumbador
Unsere Patin Martina Reibe ist mit unserer Patengruppenreise nach Guatemala gereist und berichtet von ihren Eindrücken vor Ort: „Mit diesem kurzen Reisebericht möchte ich jeden Interessierten ermutigen, selbst einmal das vertraute Umfeld kurzzeitig zu verlassen und sich ganz auf die Besonderheiten eines unbekannten Landes und seiner Menschen einzulassen.“
Als die Einladung zur ersten Patengruppenreise nach Guatemala ins Haus flatterte, habe ich sofort gewusst, dass ich dorthin reisen möchte, um unser Patenkind persönlich zu treffen. Seit den 90er Jahren unterstützen mein Mann und ich Kinder in Guatemala. Es ist ein Land in Mittelamerika mit der vergleichbaren Fläche so groß wie Baden-Württemberg und Bayern zusammen. Es gibt dort viele Klimazonen, von schwül-heiß bis trocken-kalt, und die indigene Bevölkerung hat gegenwärtig immer noch nicht überall Zugang zu Schulen oder zur Gesundheitsversorgung. Unsere Reisegruppe bestand aus 26 Teilnehmern, und als wir im Februar losflogen, war bei uns in Deutschland Winter und in Guatemala-City Trockenzeit, d.h. angenehme Frühlingstemperaturen und blauer Himmel.
Nachdem wir wie ganz normale Touristen die vielen Sehenswürdigkeiten (Antigua, Panajachel am Atitlansee) angefahren und besichtigt hatten, kamen wir nach 7 Tagen in das Projektgebiet San Marcos, nahe der mexikanischen Grenze. Vom Bus aus konnten wir die aufsteigenden Nebelfelder über dem Dschungel sehen, inmitten der wunderschönen Vulkanlandschaft. Wir befanden uns auf einer Höhe von nahezu 3.400m/üNN und sahen entlang der Straßen unzählige Steinhäuser mit Wellblechdächern sowie unfertige Häuserbaustellen. Das Ackerland, auf dem vielfach Mais angebaut wird, ist zu dieser Jahreszeit trocken und bietet nicht viel Nahrung für Menschen und die wenigen Rinder.
Die vielen Anwohner und Kinder, die auf der Straße im Dreck spielten, winkten uns im Reisebus fröhlich zu, und wenn wir mal an einer Straßenbaustelle anhalten mussten, wurden wir selbst zum Fotomotiv der Einheimischen. In der Dunkelheit konnte man auf der Durchreise erkennen, dass viele Familien mit offenen Feuerstellen versuchen, ein wenig Wärme in die kalten Nächte zu bringen. Die Temperaturen gehen nachts bis auf wenige Grade über Null zurück. Es sei angemerkt, dass es weder eine funktionierende Post, noch überall fließend Wasser oder Strom gibt. Von einer Müll- oder Abwasserversorgung, wie wir sie in der westlichen Welt kennen, ist gar nichts zu sehen. Die Einheimischen müssen alles entweder verbrennen oder in den nächsten Bach werfen.
Mit diesen Eindrücken und Informationen wartete ich nun sehr gespannt darauf, was uns in El Tumbador, dem Projektgebiet erwartete, in dem mein Patenkind Carlos lebt. Der Weg dorthin führte über staubige Straßen und mit Steinen unterlegten Wegen direkt in tropisch-heißes Dschungelgebiet. Begleitet wurde unser Konvoi von Polizisten, Dolmetschern und lokalen WV-Mitarbeitern. Aus Sicherheitsgründen kann solch eine Reise ins Hinterland nicht auf eigene Faust unternommen werden. Endlich erreichten wir die ersten Häuser, und die Anwohner erwarteten uns bereits. Ob wir gleich unsere Patenkinder erkennen würden?
Wir wurden in ein Gemeindehaus geleitet und waren überwältigt vom herzlichen Empfang und den Ansprachen der Ortsvorsteher. Der Raum war prachtvoll mit Palmen und Blumen geschmückt, und an den Seitenwänden warteten zahlreiche Guatemalteken, um uns stolz ihre selbstgenähten Kleider und hergestellten Produkte zu erläutern. Mit Hilfe und Unterstützung von World Vision haben sie gelernt, u. a. Blusen, Backwaren und Reinigungsmittel mit natürlichen Inhaltsstoffen selbst herzustellen und auf den lokalen Märkten zu verkaufen. Wir durften einige Köstlichkeiten probieren, die nach süßer Kamille und Kokos schmeckten. Insgesamt war es ein sehr anschaulicher Beweis, dass die Hilfe ankommt und die Menschen im Projektgebiet die weitere Entwicklung selber in die Hand nehmen können.
Die Hilfe kommt an und die Menschen werden die weitere Entwicklung selber in die Hand nehmen können.
Nach einem kleinen Rundgang durch das Dorf kamen wir zu einem Schulplatz. Fröhlicher Kinderlärm empfing uns, und ich wurde gleich dazu eingeladen, ein kleines Bäumchen einzupflanzen. Voller Neugierde wurde ich auf Spanisch gefragt, ob es mir gefallen würde, mit ein paar Kindern zu tanzen und lustige Fangspiele zu spielen. Auch der mitgebrachte Fußball wurde mit Begeisterung von den Jungen quer über den Platz geschossen und mit lautem Gejohle gefeiert. Meine Reisepartnerin Heike verteilte bunte Anstecker in Form von Schmetterlingen. Es war mir und den anderen Paten eine große Freude an dieser fröhlichen Begegnung teilzunehmen.
Dann war es endlich soweit: Mein Patenkind Carlos war mit seinen Großeltern eingetroffen, und wir trafen uns in einem Klassenzimmer. Dank der bisherigen Briefe und Bilder erkannten wir uns sofort und begrüßten uns freundschaftlich. Ich hatte extra ein paar Sätze auf Spanisch gelernt und freute mich, dass er mich verstand. Schüchtern nahm er die mitgebrachten Geschenke entgegen, und wir mussten alle lachen, weil die T-Shirts und Shorts viel zu groß ausgefallen waren. Anders als bei uns werden die Kinder hier - und Carlos ist nahezu schon erwachsen - körperlich nicht größer als ihre Eltern bzw. die Großelterngeneration. Eine Erklärung hierfür ist in der Mangelernährung und Armut zu sehen, und man darf sich nicht von der gepflegten Kleidung täuschen lassen. Carlos hat große Ziele: Er besucht eine weiterführende Schule und möchte Automechaniker werden. In seiner Freizeit tanzt er gerne Merimba und hilft seinen Großeltern beim Gemüseanbau. Seine Familie ist sehr stolz auf ihn, und ich freue mich, dass die monatliche Spende einen Beitrag zu seiner Bildung und Gesundheitsförderung leisten konnte. Gemeinsam gingen wir zum Mittagessen, das die Dorfgemeinschaft zubereitet hatte. Es gab gegrilltes Hühnerfleisch, Reis und Gemüse sowie Tortillas – ein Festessen, wie es so nicht alle Tage vorkommt.
Schon gleich nach diesem ersten Zusammentreffen wuchs in mir der Wunsch, einem weiteren Kind zu helfen
Beim Abschied aus El Tumbador wurde uns Paten eine selbstgenähte Tasche überreicht. Wir waren überwältigt vor so viel entgegengebrachter Herzlichkeit und Freude. Als wir in die Fahrzeuge einsteigen wollten, hat plötzlich ein Mädchen im letzten Augenblick auf den von World Vision verteilten Anstecker mit Guatemala-Deutschland-Flagge gezeigt, den ich am Revers trug. Selbstverständlich habe ich ihr den Anstecker von Herzen gerne zur Erinnerung geschenkt. Schon gleich nach diesem ersten Zusammentreffen wuchs in mir der Wunsch, einem weiteren Kind in Guatemala die Möglichkeit zum Schulbesuch zu geben. Bildung und regelmäßige finanzielle Unterstützung sind so wichtig im Leben und können die Lebensumstände von vielen Menschen in den Dorfgemeinschaften verbessern.
Ich habe auf dieser Reise mehr gefunden als ich erwartet hatte: Die persönliche Begegnung mit unserem Patenkind und seinen Großeltern, das Kennenlernen einer alten Kultur, die Entstehung neuer Freundschaften und das Wissen um Katy, unserem neuen Patenkind, dem wir zukünftig die Möglichkeit zu einem besseren Leben geben können. Wenn es wieder eine Patenreise nach Guatemala gibt, möchte ich auf jeden Fall Katy persönlich besuchen.