Ukrainische Mutter von hinten mit kleinem Mädchen auf dem Arm
Anna aus der Ukraine tröstet ihre weinende Tochter.

Ukraine-Krieg: 1,5 Millionen Kindern drohen psychische Langzeitfolgen

Neuer Bericht von World Vision fordert Unterstützung und Hilfe sofort

  • Mentale Gesundheit ihrer Kinder ist für ukrainische Eltern die größte Sorge
  • Präventionsprogramme müssen dringend priorisiert werden
  • World Vision bietet u.a. Hilfen in Sommercamps an

Berlin, 05.07.2022 – Der Krieg in der Ukraine hinterlässt bei einer ganzen Generation tiefe seelische Nar-ben. 1,5 Millionen Kinder sind in Gefahr, langfristig von Angststörungen, Depressionen und sozialen Beeinträchtigungen betroffen zu sein. Darauf macht die internationale Hilfsorganisation World Vision in einem heute veröffentlichten Bericht aufmerksam. Hilfe und Unterstützung müssen sofort geleistet wer-den. Nur rasche Interventionen könnten langfristige Schäden abwenden, die in 15 Jahren noch die dann schon im Arbeitsleben stehenden Menschen stark belasten.

Der Report „No Peace in Mind” warnt davor, die mentale Gesundheit von Kindern in der Ukraine-Hilfe hinten an zu stellen: Für ukrainische Eltern ist das psychische Wohl ihrer Kinder die größte Sorge, zeigten aktuelle Bedarfserhebungen. Bei geflüchteten Familien beobachteten rund ein Drittel der Eltern Verhaltensänderungen ihrer Kinder sowie Stress-Symptome oder auch gesteigerte Aggression.  Frühere Studien zeigen auch, dass 22 Prozent der Bevölkerung in Konflikten eine psychische Beeinträchtigung erleiden. Bezogen auf die Ukraine wären das 4,5 Millionen Menschen, darunter 1,5 Millionen Kinder.

„Der Einsatz von Raketen, Artillerie und anderen verheerenden Waffen bedroht nicht nur akut das Leben vieler Kinder, sondern hinterlässt auch seelische Belastungen“, erklärt Kindheitsforscherin Dr. Catherina Rohde Abuba von World Vision Deutschland. „Die Kinder an einen sicheren Ort zu bringen und gut zu versorgen ist der erste Schritt zur Hilfe, aber die Erlebnisse wirken nach und müssen verarbeitet werden.“ Der Verlust von starken Bindungen, der durch die Flucht oder den Tod von Angehörigen entsteht, erschwere es vielen betroffenen Kindern ihre emotionale Sicherheit wiederzugewinnen, die eine wichtige Grundlage für ihre gesunde Entwicklung sei.

Das große Engagement vieler Menschen für die Ukraine bietet Chancen, geeignete Hilfen zu finanzieren. Catherine Green, Leitern der World-Vision-Nothilfe in der Ukraine, kündigt an: „Wir werden unsere psychosozialen Programme in den kommenden Monaten ausbauen. Wir wissen aus Erfahrungen in Krisengebieten wie Syrien oder dem Südsudan, dass rasche Investitionen in die mentale Gesundheit entscheidend sind, damit Kinder die erlittenen Traumata überwinden können oder deren Folgen zumindest abgemildert werden. Mit 50 Euro pro Person kann verhindert werden, dass über eine Million Menschen, die vom Konflikt betroffen sind, an langfristigen psychischen Folgen wie Angst, Depression, Schizophrenie und bipolaren Störungen leiden.“

Förderung der psychischen Gesundheit unterstützt auch den Wiederaufbau des Landes

Rechtzeitige und ausreichend finanzierte Prävention wirkt sich positiv auf den Wiederaufbau des Landes aus. Sie würde der Ukraine bis zu 1,6 Milliarden Dollar an späteren, langfristigen Kosten ersparen, schätzt der World Vision-Bericht.

Die Sicht betroffener Kinder rückt der Bericht jedoch besonders in den Blickpunkt. So erzählt Polina (12 Jahre) aus Mariupol: „Ich hatte Angst, große Angst. Jeden Tag hörten wir die Kampfflugzeuge, die Pan-zer und die Schüsse in der Stadt. Eine Rakete schlug nah an unserem Garten ein. Ein Haus fing Feuer, die Wände stürzten ein. Asche bedeckte die ganze Stadt. Es war Zeit zu fliehen“.

„Mit der richtigen Unterstützung können wir diesen Kindern helfen“, erklärt Green. „Die Hilfe muss jetzt allerdings rasch erfolgen und auch auf die umliegenden Länder, wo viele Menschen aus der Ukraine Schutz gefunden haben, ausgedehnt werden.“

World Vision integriert gezielte psychosoziale Maßnahmen wie Hilfen zum Abbau von Stress in die Unterstützung von Familien, sowohl in der Ukraine, als auch in Rumänien, Moldawien und Georgien. Weil unter den aktuellen Umständen in der Ukraine psychologisches Fachpersonal knapp ist, hat die Hilfsorganisation auch fast 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Partnerorganisationen in psychologischer Ersthilfe geschult.

Ein neues Projekt geht in den Sommerferien an den Start: In Kooperation mit Schulen bietet World Vision in den kommenden Wochen Sommercamps an, in denen geflüchtete Kinder lernen sollen ihre psychischen Belastungen im Rahmen pädagogischer Spiel- und Freizeitangebote zu bewältigen. Geschultes Personal achtet dabei auf Anzeichen von Stress und vermittelt betroffenen Kindern die geeignete spezialisierte Hilfe.

Hier können Sie Kinder und Familien aus der Ukraine unterstützen: https://www.worldvision.de/spenden/katastrophenhilfe/ukraine