6 Monate Krieg in der Ukraine: Rückkehr in die Schulen für die Mehrheit der Kinder in der Ukraine unsicher
3 von 4 ukrainischen Kindern werden im neuen Schuljahr voraussichtlich dem Unterricht im Klassenraum fernbleiben
Kiew / Berlin, 22.8.2022. Wenn im September die Schulen für Millionen Kinder in der Welt wieder öffnen, wird die Mehrheit der Kinder in der Ukraine voraussichtlich dem Unterricht in Klassenzimmern fernbleiben. Drei von vier Schulkindern müssen dort wegen des Krieges online lernen[1] und vielen jüngeren sowie auf der Flucht lebenden Kindern fehlen die Voraussetzungen dafür. Darauf macht die internationale Hilfsorganisation World Vision eine Woche vor dem offiziellen Schulbeginn aufmerksam.
"Der Konflikt gefährdet die Zukunft einer ganzen Generation von ukrainischen Kindern. Letztes Jahr um diese Zeit packten sie ihre Schultaschen und freuten sich darauf, wieder mit ihren Schulfreunden zusammen zu sein. Innerhalb von sechs Monaten hat sich ihr Leben drastisch verändert, und nun ist ihr Zugang zu Bildung gefährdet oder sogar ganz abgeschnitten", erklärt Jennifer Neelsen, Leiterin der Ukraine-Hilfe von World Vision.
Das ukrainische Bildungsministerium schätzt, dass 2.014 Schulen und Kindergärten durch Bombardierungen oder Beschuss beschädigt und mindestens 286 vollständig zerstört wurden. „In allen Konflikten fordern wir seit Jahren, dass keine Bildungseinrichtungen für militärische Zwecke genutzt und keine Schulen angegriffen werden“, sagt Ekkehard Forberg, Experte für Friedensförderung bei World Vision Deutschland.
Aufgrund der anhaltenden Vertreibungen werden aktuell auch 3.500 Bildungseinrichtungen als Notunterkünfte genutzt. Viele weitere Einrichtungen verfügen nicht über die jetzt vorgeschriebenen Schutzräume, die die Kinder bei Luftalarm aufsuchen sollen. Auch der Mangel an Lehrkräften ist ein Hindernis: Mindestens 43.000 Lehrerinnen und Lehrer sind nach Schätzungen der zuständigen UN-Arbeitsgruppe (UN-Education Cluster) durch den Krieg vertrieben worden.
"Es ist sehr wichtig, dass den Kindern jede Möglichkeit zum Lernen gegeben wird. Die Rückkehr zur Schule – wo sie sicher ist – gibt ihnen ein Gefühl der Normalität und unterstützt die Integration geflüchteter Kinder am besten“, betont Jennifer Neelsen. „Unter den jetzigen Umständen wird es aber für viele unglaublich schwierig sein, die Gelegenheit zum Lernen mit anderen Kindern wiederzuerlangen."
Staatliche Institutionen und nicht-staatliche Partner arbeiten laut der Kinderhilfsorganisation mit Hochdruck gemeinsam daran, Hindernisse für den Zugang der Kinder zu Bildung zu beseitigen. World Vision bietet Kindern in der Ukraine sowie geflüchteten Kindern informelle Bildung an und unterstützt Aufnahme-Möglichkeiten an Schulen. Die lokalen Kapazitäten müssten aber verstärkt und humanitäre Zugänge verbessert werden, um alle Kinder zu erreichen, die Gefahr laufen, den Schulbesuch zu verpassen. "Die Kinder in der Ukraine müssen zu Beginn des Schuljahres mit mobil nutzbaren Lernressourcen, aber auch durch angepasste Bildungsprogramme versorgt werden.“, so Jennifer Neelsen.
Bei länger anhaltendem Krieg droht den Kindern nicht nur der Verlust ihrer Bildungschancen. Der Bericht „No Peace of Mind“ von World Vision zeigt, dass über 1,5 Millionen Kinder in der Ukraine Gefahr laufen, an schwerwiegenden psychischen Belastungen zu leiden, weil sie den Schrecken des Krieges ausgesetzt waren.
"Wie immer sind es unschuldige Kinder, die die Hauptlast des Konflikts tragen. Viele haben Gewalt und Tod miterlebt, Millionen waren gezwungen, ihr Zuhause, ihre Freunde und Haustiere und sogar Familienmitglieder zu verlassen. Ihr Leben wurde auseinandergerissen, und die internationale Gemeinschaft muss ihrem Schutz, ihrer psychischen Gesundheit und ihrer Bildung die größtmögliche Unterstützung zukommen lassen", so Neelsen.
Die Nothilfe von World Vision hat mehr als 277.000 Menschen geholfen, wobei über 5.000 Kinder durch Bildungsprogramme und mehr als 15.600 Menschen mit flexibel einsetzbarer Bargeldhilfe unterstützt wurden. Dank großzügiger Spenden, unter anderem an „Aktion Deutschland Hilft“, kann World Vision diese Unterstützung fortsetzen und ausbauen. Es wird jedoch erwartet, dass der Bedarf an Hilfen mit dem nahenden Winter ansteigt und die fortschreitende Beschädigung der Infrastruktur möglicherweise weitere Herausforderungen mit sich bringt.
Wer die Hilfsprogramme unterstützen möchte, kann hier online spenden.
Hinweise für Redaktionen:
Mehrere deutsche Mitarbeiterinnen sind kürzlich aus dem Ukraine-Einsatz zurückgekehrt. Für Interview-Wünsche kontaktieren Sie bitte die Pressestelle von World Vision Deutschland.
Ein aktuelles Factsheet zur Ukraine-Hilfe von World Vision finden Sie hier.
Weiteres Bild-und Storymaterial erhalten Sie gerne auf Anfrage. World Vision-Pressestelle Tel.: 06172-763 -153, -155, -159 oder via e-mail: presse@wveu.org https://www.worldvision.de/presse