Ghana: Im Land des Lächelns
Juliana Goessmann ist Referentin Unternehmenskooperationen bei World Vision Deutschland. Im Juni besuchte sie ein Projekt in Ghana.
World Vision ist seit über 20 Jahren in Ghana aktiv. Du warst erst vor kurzem vor Ort. Wo warst du genau und was sind die größten Probleme?
Juliana: Ich war in der Volta-Region und habe gesehen, dass es an vielem fehlt: Die Infrastruktur und die Versorgungslage sind schlecht. Es fehlt an Wasserstellen, an Latrinen, an Unterkünften für Schüler und an Schulbildungsangeboten. Ein weiteres großes Problem ist die Kinderarbeit. In Ghana wird sehr viel Kakao angebaut und oft ist die Unterstützung der Kinder für die Familien überlebensnotwendig. Selbst die Kleinsten arbeiten schon mit: Sie sind verantwortlich für das Wasserholen und manchmal haben sie dadurch gar keine Zeit, in die Schule zu gehen oder einfach Kind zu sein.
Wie hilft World Vision vor Ort?
Juliana: Unser Projektgebiet Krachi-East umfasst mehrere Gemeinden und besteht schon seit über zwölf Jahren. Dadurch konnte ich sehen, was World Vision bereits alles erreicht hat: Viele Brunnen wurden gebaut, damit die Menschen in etwa 15 bis 20 Minuten an einer Wasserstelle sind. Es gibt jetzt auch mehr Grundschulen. Weil es nur wenige weiterführende Schulen gibt, hat World Vision ein Mädchen- und ein Jungenwohnheim gebaut. Hier können die Schüler wie in einem Internat übernachten und werden nicht von einem 5-stündigen Schulweg davon abgehalten, zur Schule zu gehen. Inzwischen gibt es auch einige Gesundheitsstationen, mit einem Raum, in dem Mütter gebären können, und einem Raum für Menschen mit Infektionskrankheiten wie Malaria.
Welche Maßnahmen gibt es gegen die Kinderarbeit?
Juliana: In den Gemeinden haben wir Kinderparlamente eingerichtet, in denen die Kinder mit den Gemeindemitgliedern und den Dorfältesten diskutieren. Ich habe miterlebt, wie die Kinder dort darin bestärkt werden, ihre Meinung zu äußern und den Eltern zu erklären, warum Kinderarbeit schlecht ist. Es geht darum, Kompromisse zu finden, weil alle wissen, dass man sich helfen muss, um zu überleben, aber gleichzeitig auch, dass es zukünftig für alle besser ist, wenn die Kinder lesen und schreiben lernen.
Das Thema Kinderarbeit wird auch im Schulunterricht besprochen und World Vision arbeitet außerdem daran, einkommensschaffende Maßnahmen auf die Beine zu stellen, damit die Eltern nicht so sehr auf die Unterstützung ihrer Kinder angewiesen sind.
Wie hast du die Menschen vor Ort erlebt?
Juliana: Ghana ist für mich ein Land des Lächelns: Jeder war da mit einem lächelnden Gesicht und es gab eine unglaubliche Offenheit und kaum Distanz. Es sind Menschen, die sehr gestärkt sind durch ihren Glauben. Und sie sind stolz auf das, was sie schon geschafft haben und schauen nach vorne. Dieser Optimismus und auch die Gastfreundschaft haben mich sehr beeindruckt.
Aber was mir am besten gefallen hat, ist die Rolle, die Musik und Tanz in der Kultur spielen: Egal zu welchem Anlass - zum Abschluss des Kinderparlaments oder einer Sitzung, natürlich im Gottesdienst, aber auch wenn es eine Beerdigung gab - es wurde zu jeder Gelegenheit gemeinsam getanzt als Ausdruck von Freude und von Hoffnung.
Du hast ja auch viele Kinder getroffen. Was ist dir aufgefallen?
Juliana: Ich fand es sehr schön zu sehen, wie selbstbewusst die Kinder sind. Sie hatten immer ein Strahlen im Blick und ein Lächeln im Gesicht, wenn man sich mit ihnen unterhalten hat. Durch die bessere Schulbildung haben viele Kinder relativ gut englisch gesprochen und ihre Ausdrucksfähigkeit war stark und selbstbewusst. Vor allem bei den Mädchen: Sie haben mir klar und präzise über Probleme und Erfolge berichtet und mich damit überrascht, wie reif und analytisch sie waren.
Gibt es Erlebnisse, die dich besonders berührt haben?
Juliana: Ich hatte mehrere sehr schöne Momente. Einer davon war, als wir die Wohnheime für die weiterführende Schule besucht haben. Dort haben wir uns mit einigen Mädchen über ihre Zukunft unterhalten. Sie waren optimistisch und gleichzeitig realistisch. Da kamen keine Träume zur Sprache, sondern Pläne, die Hand und Fuß hatten. Sie fragen sich: Was kann ich? Und wie kann ich daraus das Beste machen? Oft arbeiten sie auf Berufe hin, die der ganzen Dorfgemeinschaft von Nutzen sein werden - Krankenschwester oder Lehrerin oder Mitarbeiterin in einer der Spargruppen. Es hat mir sehr gut gefallen, zu sehen, wie genau die Mädchen wissen, wo sie stehen und wo sie hinwollen.
Du warst auch schon in anderen Projekten von World Vision. Was unterscheidet diesen Besuch von anderen?
Juliana: Das war meine dritte Projektreise und sie hat mir sehr eindrücklich vor Augen geführt, was Patenschaft langfristig ausmacht. Ich habe Jugendliche und junge Erwachsene erlebt, die schon seit zwölf Jahren Patenkinder sind und kurz davor, das Patenschaftsprogramm abzuschließen: starke, selbstbewusste, gut gebildete Jungen und Mädchen - junge Erwachsene mit Zukunft.
In Krachi-East konnte man genau sehen, wie World Vision über die Jahre bereits geholfen hat: mit der Wasserversorgung, bei den Gesundheitsleistungen und auch durch das Kinderparlament, die Spargruppen, die Einkommensförderung. Die Grundsteine hat World Vision gelegt, heute ist vieles bereits an die Gemeinde übergegangen und wurde den Menschen vor Ort übergeben, die die Arbeit jetzt fortführen.