Kinderarbeit hinterließ Narben auf seiner Seele
Udaibhaskar aus Indien war in der siebten Klasse, als sein Vater krank wurde. Das Einkommen der Mutter reichte nicht aus, um die Familie zu versorgen und die Arztrechnungen für den Vater zu bezahlen. Die Familie sah keine andere Möglichkeit: Der Junge musste die Schule verlassen. Udaibhaskar begann, in einer kleinen Werkstatt, die in einem einfachen Schuppen untergebracht war, zu arbeiten. Kinderarbeit in Indien ist weit verbreitet.
Weil Udaibhaskar keine Ausbildung hatte und noch unter 18 Jahre alt war, wurde er nur sehr schlecht bezahlt. „Ich habe immer gesehen, wie meine Freunde zur Schule gingen. Sie hatten ihre Schultaschen dabei. Ich dagegen bin in eine Werkstatt gegangen – mit einer Werkzeugbox,“ berichtet Udaibhaskar: „Ich fühlte, dass meine Freunde auf mich herabsahen. Das hat mich verletzt.“
Eines Tages hatte sein Chef ihn aufgefordert, am nächsten Tag zu arbeiten – einem Sonntag. „Ich bin auf den Markt gegangen, habe Lebensmittel für zuhause gekauft und bin spät zur Arbeit gekommen,“ erzählt Udaibhaskar. Sein Chef wurde wütend, weil er spät dran war, und schlug ihn zusammen.
Kinderarbeiter: schlecht bezahlt und schlecht behandelt
Udaibhaskar erinnert sich ganz genau an den Tag. Er trug einige Prellungen auf seiner Brust davon, aber es waren die Narben auf seiner Seele, die sich tief eingebrannt hatten. Die Schläge verletzten seine Würde. Dass er vor den Augen anderer Leuten geschlagen wurde, streute zudem Salz in seine Wunden.
Er schwor sich, nie mehr zur Arbeit zurückzukehren und flüchtete sich zu seiner Großmutter. Ein Mitarbeiter von World Vision in Indien erfuhr von dem Vorfall und reichte im örtlichen Arbeitsamt Beschwerde ein. Der Besitzer der kleinen Werkstatt musste eine Strafe zahlen. Udaibhaskar wurde von World Vision beraten und ermutigt, wieder zu Schule zu gehen. „Sie sagten, dass ich eine gute Zukunft hätte und dass sie mir mit den Schulgebühren helfen würden,“ erzählt er.
Als ich das hörte, entschloss ich mich, zu Büchern und Schultasche zurückzukehren.
Udaibhaskar ging wieder zur Schule. Er besuchte eine offene zehnte Klasse, die World Vision speziell für Kinder eingerichtet hat, die die Schule abgebrochen hatten. Er bestand seine Prüfungen gleich beim ersten Anlauf und schloss seine Schulbildung ab.
Bildung eröffnet Perspektiven
Der inzwischen 25-Jährige absolvierte eine Ausbildung zum Mechaniker und arbeitet heute in einer großen Motorrad-Werkstatt. Sein Vorgesetzter unterstützt ihn und brachte ihm alles bei, was er wissen muss, um in der professionellen Werkstatt arbeiten zu können. Das Wichtigste aber ist: Udaibhaskar wird nie wieder dem Missbrauch ausgesetzt sein, den er als Kinderarbeiter erlebt hat.
„In dem Moment, als ich mich als Kind entschied, nicht mehr in diese kleine Werkstatt zurückzukehren, fühlte ich mich gut. Aber richtig glücklich war ich, als ich mein Zeugnis der 10. Klasse in Händen hielt – ich habe es jedem gezeigt,“ sagt der junge Mann. Die Unterstützung durch World Vision gab ihm die Freiheit, sich für Bildung zu entscheiden. Eine Freiheit, nach der er sich sehr gesehnt hatte.
Udaibhaskar ist heute ein Fachmann, der seine Stärken im Beruf zeigen kann. Er ist kein Kind, das Tätigkeiten für wenig Geld und viel Misshandlung verrichten muss. „Wenn ich Kinder arbeiten sehe, sehe ich mich in ihnen. Ich gehe dann zu ihnen, spreche mit ihnen und ermutige sie, dass es auch für sie eine bessere Zukunft gibt.“