Delmi lernt mit World Vision Honduras eine andere Art der Erziehung

Erziehung zur Zärtlichkeit

Eine Mutter aus Honduras befreit durch das Programm ihre Kinder und andere Familien von Gewalt
Autor: KSzeltner  | 
23. November 2018
Autor: KSzeltner
Delmi mit ihren zwei Töchtern

Ich erinnere mich nur noch vage an meine Mutter. Was mir aber in Erinnerung geblieben ist, ist der Hass und die Ablehnung, die sie gegen mich hegte. Diesen Hass habe ich leider an meine Töchter weitergegeben. Ich habe meine Töchter schlecht behandelt und es tat mir nicht weh. Den Missbrauch und die Vernachlässigung, die ich in meiner Kindheit erfuhr, übertrug ich nun auch auf meine eigenen Töchter. Ich habe jeden, der mir zu nah kam, als eine Bedrohung empfunden.

Das habe ich im Workshop von World Vision Honduras begriffen. Das erste Modul des Workshops hat mir geholfen, mich selbst besser zu verstehen. Ich sollte mich anschauen und die schwierigen Erfahrungen meiner Kindheit aufschreiben. Dies ist eine sehr private Angelegenheit, aber die Übung hat sich gelohnt. Nachdem ich eine Silhouette meines Körpers gezeichnet hatte, zeigte ich mit Schildern, wo ich die meisten Wunden empfand. Mithilfe von guten und schlechten Erinnerungen habe ich eine Reise von meiner Kindheit, über die Jugend bis zu meinem Erwachsenenalter gemacht; dann habe ich darüber nachgedacht, wie man Wunden heilen und patriarchale Muster durchbrechen kann.

Als der Abend des ersten Tages anbrach, hatte der Panzer um mein Herz schon große Löcher bekommen. Ich konnte mich in andere Menschen besser hineinversetzen und deren Freude, Liebe und Hoffnung teilen. Am Ende des Workshops freute ich mich schon auf das nächste Modul. Die Zärtlichkeit begann schon mein Wesen einzunehmen. Ich habe dann alle neun Module des Programms mitgemacht und mich bei meinen Töchtern entschuldigt für den Schaden, den ich angerichtet hatte.

Delmi spaziert mit ihren zwei Töchtern

Jetzt fühle ich mich frei und habe das Gefühl, endlich lieben zu können. Ich weiß, dass meine Töchter diese Liebe pflegen und ihr Leben lang teilen werden. Meine Erfahrungen zur „Erziehung mit Zärtlichkeit“ teile ich jetzt mit anderen Vätern und Müttern in La Majada. Am Anfang war es nicht einfach, vor anderen Menschen über meine Gefühle zu sprechen, aber jetzt kann ich es ohne Probleme.

Ich bin fest davon überzeugt, dass diese Beziehungsarbeit wirklich fruchtbar ist. Wir werden bessere Väter und Mütter, Töchter und Söhne mit einer Erziehung ohne Schläge oder psychologische Misshandlungen sehen. Es wird eine Generation von Männern und Frauen mit Werten und Tugenden sein. Ich bin dankbar, dass mir die Möglichkeit gegeben wurde, mein Leben zu verändern und ein Träger dieser Botschaft an Kinder zu sein, die sich heute in einer Situation der Verlassenheit befinden.

Hintergrund: 

Crianza con Ternura (Erziehung mit Zärtlichkeit) ist ein methodischer Ansatz, den unter anderem World Vision Honduras im Rahmen seiner Kinderschutz- und Kinderrechte-Arbeit einsetzt, um eine Transformation der persönlichen Beziehungen, insbesondere mit Kindern, auf der Grundlage gegenseitiger Fürsorge und Unterstützung zu fördern.
Der Ansatz richtet sich vor allem an Eltern und Pädagogen, an Schulen und Kirchen. Ausgehend von einer Überprüfung des bisherigen Modells der Erziehung und der eigenen Erfahrungen entdecken die Teilnehmer bei den Workshops, dass es viele Wunden gibt, die Zuneigung und Nähe zwischen Menschen verhindern. Die Teilnehmer erfahren Praktiken, wie man mit Verständnis und Zuneigung erziehen kann, ohne Gewalt in jeglicher Form. Eine Erziehung, die auf die grundlegenden Bedürfnisse von Kindern eingeht, ihnen zuhört, Gefühle ausdrückt, Geborgenheit vermittelt, mitfühlt und sie begleitet. Zugleich werden den Erwachsenen Zugänge zu ihrer eigenen Kindheit neu eröffnet. Sie werden dafür sensibilisiert, welch grundlegende Rolle die Kindheit für das Leben spielt.
Ein Aspekt, der für die Reduzierung von Gewalt in Honduras wichtig ist: Menschen müssen schon in frühen Jahren lernen, die Würde anderer zu respektieren und ihre Konflikte ohne Schreie, Schläge und Beleidigungen zu lösen. In Honduras haben wir es im Rahmen der Strategie der Ausbildung von Trainern (Lehrer, Kirchenführer, Betreuer und Eltern) geschafft, 7.983 Trainer in der Methode auszubilden, und diese haben sich verpflichtet, den Ansatz durchschnittlich 15 weiteren Personen zu vermitteln. Wir haben auch mehr als 7.000 Kinder direkt geschult, die wiederum ihre Altersgenossen erreichen und aus ihrer Erfahrung heraus zu veränderten Beziehungen in den Familien beitragen können.