Neues "Rebound"-Projekt im Südsudan eröffnet
Christoph Waffenschmidt, Vorstandsvorsitzender von World Vision Deutschland, ist gerade aus dem Südsudan zurück gekehrt, wo er Einblicke in vielfältige Hilfen von World Vision für Kinder und Jugendliche bekam und zusammen mit Länderdirektor Dr. Mesfin Loha ein neues "Rebound"-Projekt für ehemalige Kindersoldaten eröffnete. Hier sein Bericht:
Yambio im Südsudan, unweit der Grenze zur demokratischen Republik Kongo. 35 Grad Celsius unter strahlender Sonne, um uns herum grünes Buschwerk, Mangobäume voller Früchte, wild wachsende Ananaspflanzen. Landschaftlich ein Paradies, für viele Kinder traurigerweise die Hölle.
Wir sind mit unseren Kollegen von World Vision Südsudan seit einigen Tagen in dieser Region unterwegs, besuchen zahlreiche Projekte, die Kindern Halt geben in diesem leider noch immer sehr instabilen Land und nehmen uns vor allem Zeit, mit ehemaligen Kindersoldaten selbst ins Gespräch zu kommen.
World Vision engagiert sich seit über 20 Jahren für Kinder, die in Konflikten rekrutiert oder gezwungen werden, für bewaffnete Gruppen die dreckige, sprich mörderische Arbeit zu erledigen. In Uganda und im Kongo haben wir über viele Jahre hinweg mit Unterstützung von Wolfgang Niedecken und vielen Spendern im Projekt „Rebound“ Kindern, die diesen Missbrauch überlebt haben, Schutz und Unterstützung gegeben, damit sie – wie im Basketball nach einem Fehlwurf – eine zweite Chance für ihr Leben bekommen.
Der Südsudan ist seit 2011 der jüngste unabhängige Staat der Welt und seitdem leider in einer Endlosschleife aus Bürgerkrieg, kämpferischen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden ethnischen Gruppierungen und politischer Unsicherheit gefangen. In dieser Situation treffen wir Peter*, der über 6 Jahre von einer bewaffneten Gruppierung als Kindersoldat gefangen gehalten wurde. Mit 10 Jahren verschleppt, ist er mit 16 Jahren erst vor wenigen Monaten aus dem „Dienst entlassen“ und nach Hause geschickt worden. Er erzählt von der Zeit bei der Gruppe, von den Raubzügen, die er tätigen und bei denen er auch töten musste. Er erzählt es unaufgeregt und in monotonem Tonfall. In dieser für Kinder so wichtigen Jugendzeit, im Übergang vom Kind zum Erwachsenen, hat er in der Gruppe sehr viel Bestätigung und Halt erfahren. Die Gruppe ist zu seiner Familie geworden, in der er sich zu Hause gefühlt hat.
Vor wenigen Monaten ist Peter* von den Anführern nach Hause geschickt worden nachdem ein Friedensabkommen zwischen der Regierung und Rebellengruppen auch die Freisetzung von Kindersoldaten einschloss. Peter gibt uns deutlich zu verstehen, dass er lieber bei der bewaffneten Gruppierung geblieben wäre. Seine leiblichen Eltern seien tot und er wolle nicht zurück in das alte Leben, das er eigentlich gar nicht mehr kennt. Uns wird klar, dass es enorme Anstrengungen braucht, um Jugendliche wie Peter* in ein neues, gewaltfreies Leben zu begleiten. Wir können nur spekulieren, was die 6 Jahre als bewaffneter Kindersoldat mit ihm gemacht haben und wie intensiv die Gehirnwäsche war, die er in dieser Zeit erhalten hat. Umso wichtiger sind unsere World Vision Sozialarbeiter, die zu Vertrauenspersonen werden und die Heranwachsenden persönlich begleiten.
Das 3. World Vision Rebound Projekt wurde im Rahmen unserer Reise offiziell eröffnet. Es gewährt Kindern und Jugendlichen zunächst Schutz und therapeutische Hilfe in einer Einrichtung, in der sie sich erholen und mit Sozialarbeitern ihre traumatischen Erlebnisse verarbeiten können. Diese helfen dann auch bei der weiteren Reintegration, wenn möglich, auch bei der Zusammenführung mit den Familien. Praktische Hilfe bietet eine Berufsschule, in der die Jugendlichen unterschiedliche Ausbildungen, wie schneidern, klempnern, schreinern oder bauen angeboten bekommen. Die Möglichkeit, diese Fähigkeiten zu erlernen, ist eine enorm wichtige Brücke in eine selbst gestaltete und solide Zukunft.
Kinder als Soldaten zu benutzen, ist eines der brutalsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Auch wenn wir als vermeintlich „aufgeklärte Westler“ uns nicht vorstellen können, dass dieses Verbrechen tagtäglich praktiziert wird. Wir als Kinderhilfswerk werden nicht aufhören uns mit aller Kraft für eine Beendigung dieses Unrechts einzusetzen.
*Der Name wurde zum Schutz der Person geändert