Titus lebt mit seiner Familie als Viehzüchter in Kenia. Er liebt es, seinen Sohn Kipkemoi und die beiden Töchter Chematian und Jerop beim Spielen zu beobachten. Diese Momente sind für ihn kostbar, denn noch vor fünf Jahren hatte er kaum Zeit, die er mit seinen Kindern verbringen konnte.
Jeden Tag musste er weite Strecken zu Fuß zurücklegen, um zu den Weideflächen zu gelangen, die sich in einem hügeligen Gelände befinden, etwa sieben Kilometer von seinem Haus entfernt. Während der langen Trockenzeiten, die auf den Klimawandel zurückzuführen sind, vergrößerte sich die zurückgelegte Strecke erheblich. Und das alles mit einer Behinderung im Bein, die seine Bewegungen einschränkt. Noch heute humpelt er und benutzt einen Stock, um sich fortzubewegen. Die mühsame Reise zehrte an Titus' Energie, so dass er spät abends immer todmüde nach Hause kam. Schlimmer noch, sein Bein schmerzte aufgrund der Belastung ständig. Doch Titus musste weitermachen, denn die Viehzucht war die Haupteinnahmequelle der Familie. „Ich hatte immer so viele Schmerzen und Qualen. Und ich sehnte mich nach einem Tag, an dem all dieses Leiden ein Ende hat“, erinnert er sich.
Von der FMNR-Schulung bis zum Mini-Wald
Titus Gebete wurden erhört, als World Vision ihn einlud, an einer Schulung zur sogenannten FMNR-Methode (Farmer Managed Natural Regeneration) teilzunehmen. Bei dieser Methode werden verarmte und entwaldete Böden wiederbegrünt: Vorhandene, unterirdische Wurzeln gerodeter Bäume werden genutzt, um wieder auszutreiben. Die jungen Schösslinge werden dann geschützt, gezielt beschnitten und so zu kräftigen neuen Bäumen, die in lockeren Abständen auf den Feldern stehen.
Vorher hielten wir Bäume nicht für wichtig. Aber während der Schulung erfuhren wir von den Vorteilen, die sie den Menschen geben können.
Mit dem erworbenen Wissen begannen Titus und seine Frau Damaris, das robuste Wachstum der einheimischen Bäume auf ihrem Land zu fördern. „Vorher hielten wir Bäume nicht für wichtig. Aber während der Schulung erfuhren wir von den Vorteilen, die sie den Menschen geben können, und so waren wir eifrig dabei, die zuvor vernachlässigten Bäume auf unserem Land wiederzubeleben“, erinnert sich Titus.
Heute besitzt die Familie einen Mini-Wald, der ihr Leben verändert hat, denn das Land wurde wieder fruchtbar: Die Familie hat nun genügend Weideland für ihr Vieh und konnte so die Milchproduktion für den Eigenbedarf und den Verkauf ankurbeln. Dies ersparte Titus den mühsamen Weg auf den Hügel auf der Suche nach Weideland, sowie die ständigen Schmerzen, die er aufgrund der Belastung seiner Muskeln in Beinen und Rücken verspürte.
„Mein ganzes Leben lang habe ich mich nur mit der Viehzucht beschäftigt. Von diesen anderen Dingen wusste ich nichts. Daher war die Schulung, die World Vision mir über FMNR und die Vorteile von Bäumen gab, wirklich hilfreich. Jetzt haben wir mehr als genug Gras für unser Vieh. Wir haben sogar überschüssiges Gras, das wir an unsere Nachbarn verkaufen können“, sagt er.
Bienen erzeugen köstlichen Honig
Neben dem Gras boten die Bäume vor ihrem Haus eine günstige Umgebung, um in die Bienenzucht einzusteigen, was ihnen eine zusätzliche Einkommensquelle eröffnete. Denn Bäume und andere blühende Pflanzen bieten Nahrung und Lebensraum für Bienen. Das steigert ihre Produktivität und ermöglicht es Imkerinnen und Imkern wie Titus und Damaris, ausreichende Mengen an Honig zu ernten. Durch die Bestäubung der Bienen wachsen auch Bäume und andere Pflanzen noch besser auf dem Land. Derzeit hat er vier Bienenstöcke, die strategisch in der Mitte seines kleinen Waldes platziert sind. Der Honig ist sehr gefragt, denn viele Menschen sind sich seiner gesundheitlichen Vorteile bewusst. „Der Honig bringt uns gutes Geld und wir können gar nicht so viel ernten wie nachgefragt ist. Aber bevor ich den Honig verkaufe, stelle ich sicher, dass ich etwas für die Familie reserviert habe, damit wir alle gesund bleiben“, sagt Titus.
Ackerbau im Mini-Wald
Die Wiederaufforstung auf dem Grundstück der Familie hat Damaris und ihren Kindern auch den mühsamen und weiten Weg auf der Suche nach Brennholz erspart. „Wir holen es einfach aus unserem Mini-Wald, der nur einen Steinwurf vom Haus entfernt ist. Das Leben ist für uns alle einfacher geworden“, sagt sie. Da die Viehweiden und das Feuerholz auf dem Gelände der Familie liegen, hat Damaris nun etwas freie Zeit, die es ihr ermöglicht, sich im Ackerbau zu versuchen. „Ich habe Sorghum und einige Gemüsesorten angebaut, damit ich sie nicht ständig auf dem Markt kaufen muss. Dadurch sparen wir eine Menge Geld.“
Das Leben ist für uns alle einfacher geworden.
Mehr Bäume – mehr Einkommen
Die Vorteile, die Titus' Familie durch die FMNR-Technik genießt, stimmen mit den Erfahrungen anderer Kleinbäuerinnen und -bauern überein. Eine 2016 von World Vision Kenia veröffentlichte Studie fand heraus, dass sich nicht nur der Baumbestand in den Gebieten, in denen FMNR eingeführt wurde, vermehrte. Sie zeigte auch, dass Familien, die auf ihrem Land eine höhere Baumdichte aufwiesen, ein höheres Einkommen aus der Viehzucht sowie aus Baum- und Nicht-Baum-Produkten wie Holzkohle, Brennholz, Weideland und Bienenzucht erzielten. Dadurch waren die Familien finanziell abgesichert. Vor der Einführung von FMNR gaben zum Beispiel 69 % der Familien an, dass sie gezwungen waren, einen Teil ihrer Grundnahrungsmittel zu verkaufen, um die täglichen Ausgaben zu decken. Diese Zahl sank aufgrund des gestiegenen Haushaltseinkommens deutlich auf 25 %. Und da die Familien nicht mehr so weite Strecken laufen müssen, um an Acker- oder Weideland, Feuerholz oder Wasser zu gelangen, haben sie auch mehr Zeit. Zeit, die Eltern wie Titus nun liebend gerne mit ihren Kindern verbringen.