Doch dann ist alles ganz einfach. Ich erkenne sie schon von Weitem: Mit ihrem bezaubernden Lachen sitzt sie ganz aufmerksam in Begleitung ihrer Eltern zwischen den anderen Leuten und begrüßt unsere Reisegruppe und mich. Die gemeinsame Zeit vergeht wie im Fluge. Mein Patenkind ist ein neugieriges, aufgewecktes Mädchen und hat große Ziele und Wünsche. Dank der Patenschaft und durch World Vision hat sie nun eine Chance ihnen ein Stück näher zu kommen.
Jedes Kind auf dieser Welt hat eine Chance verdient!
Während der Reise schließe ich eine weitere Patenschaft ab, denn ich lerne noch einen interessanten Jungen kennen. In einem der Projektdörfer fällt er mir auf. Nicht nur wegen seiner Haut - er hat Vitiligo, die Weißfleckenkrankheit - sondern auch wegen seines bezaubernden Lächelns.
Ich frage unseren Guide, wie sein Aussehen hier in Indien angesehen wird. Er erklärt mir, dass der Junge bekannt und aufgrund seiner Art beliebt sei. Doch er schäme sich für seine Krankheit und sein Selbstwertgefühl leide sehr darunter. Spontan nehme ich sein Gesicht zwischen meine Hände, schaue ihm in die Augen und sage ihm, dass er etwas ganz Besonderes und wunderschön sei.
Der Junge lächelt und ein paar Tränen kullern ihm über die Wangen. Später erfahre ich, dass er keinen Paten hat. Noch an diesem Tag entscheide ich mich, ihn als Patenkind zu unterstützen. Das Team bring ihm später ein Bild von uns und er erfährt, dass er ab jetzt jemanden in Deutschland hat, der an ihn und seine Zukunft glaubt. Ein wundervolles Erlebnis, das ich niemals vergessen werde! Und ich hoffe, er auch nicht.
Chance auf Arbeit
World Vision ist in Indien nicht nur die unterstützende Hand in Gebieten, in denen Hilfe gebraucht wird, sondern auch ein wichtiger Arbeitgeber für viele Inder, die vielleicht aufgrund ihrer Kastenzugehörigkeit, körperlichen Behinderungen oder auch ihres Geschlechts und ihrer Herkunft wegen niemals einen guten Job bekommen hätten. Viele Kinder, die in einem Projektdorf von World Vision aufgewachsen sind, zur Schule gehen und vielleicht auch aufgrund der Patenschaften von Menschen auf der ganzen Welt studieren konnten, arbeiten heute für World Vision vor Ort, um ihrer Gemeinde etwas zurückzugeben. Sie kennen die Kultur, die Gepflogenheiten und eben die täglichen Probleme.
Händewaschen lernen
Eines davon ist die Hygiene: In Indien wird mit den Händen gegessen, Babys werden von ihren Müttern mit der Hand gefüttert. Sind die Hände z.B. von der Feldarbeit dreckig, gelangen Dreck, Bakterien und anderes mit dem Essen in den Körper. Hände waschen ist in Indien aber nicht immer möglich. Als eine wichtige Maßnahme für die Gesundheit richtet World Vision in den Projektdörfern deshalb oft als erstes Handwasch-Stationen ein und erklärt deren Bedeutung.
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Bildung: In Indien gibt es keine Schulpflicht; es gibt ein Schulrecht. Wer also lernen will, darf. Genau hier liegt aber das Problem: Viele Menschen leben von der Hand in den Mund, bestellen ihr kleines Stück Land oder arbeiten für einen Landherren und bekommen einen Teil der Ernte als Lohn. Oftmals reicht es gerade so zum Überleben.
In die Schule gehen zu können, ist purer Luxus. Dass Schule und Wissen Investitionen für die Zukunft sind, ist vielen klar, doch es zählt das hier und jetzt. Kann die Familie einen Helfer entbehren? Oft wird jede Hand gebraucht, um gemeinsam die Familie zu ernähren.
Hinzu kommt, dass die Zustände der staatlichen Schulen besonders in ländlichen Regionen katastrophal sind: Klassengrößen von bis zu 80 Schülerinnen und Schüler verschiedener Altersstufen, fehlende Lehrerinnen und Lehrer und schlechte Ausstattung. Und noch immer gehen mehr Jungen zur Schule als Mädchen.
Ein Mädchen erzählt mir: „Wenn ich nur einen Wunsch frei hätte, dann möchte ich weiter zur Schule gehen dürfen, um später Krankenschwester zu werden. Ich möchte meinem Dorf helfen, für sie da sein und ihnen die medizinische Versorgung geben können, die sie brauchen.“ Sie weiß, dass ihre Chancen schlecht stehen – aber sie hat einen Traum!
Träume und Wünsche
Das ist nicht selbstverständlich: Einmal frage ich eine Runde Kinder, welche Träume und Wünsche sie hätten. Leider kann kaum einer etwas antworten. Der Übersetzer gibt mir zu verstehen, dass vielen von ihnen von klein auf bewusst ist, dass sie keine Wünsche und Ziele haben können. Erst langsam, seit Beginn der gemeinsamen Arbeit mit World Vision, begreifen sie, dass sie eine Chance haben, wenn sie sich bemühen und sie ergreifen.
Wenn Kinder keine Träume mehr haben – was ist das nur für eine Zukunft?
Die drei Dörfer, die wir besuchen, sind ganz unterschiedlich lange World Vision-Projektgebiete. Wir konnten deshalb direkt vor Ort sehen, wie sich die Lebensumstände der Menschen über die Zeit verbessern: Die Unterstützung der Paten aus der ganzen Welt kommt an. Sie kommt an und sie bewirkt etwas - dass Kinder gesund bleiben, ihnen die Türen für Bildung geöffnet werden und dass sie generell eine Chance im Leben haben.