Neues Jahr - neue Väter
Zum Jahresbeginn 2018 haben wir von Oprah Winfrey und anderen Frauen starke Worte des Aufbruchs gehört – für ein gemeinsames Handeln gegen Ungleichheit, Gewalt, Missbrauch und Sexismus. Das gemeinsame Eintreten kann auch fernab Hollywoods Einiges ins Rollen bringen. Diskriminierende Geschlechter-Verhältnisse sind vielerorts tief in den Lebensumständen von Frauen verankert. Häufig fehlen aktiv unterstützende Männer und Väter. Unser Programm "Men Care" leistet in mehreren Ländern einen wirksamen Beitrag zu mehr Gleichberechtigung - durch eine Patenschaft.
Väter, die sich partnerschaftlich an der Familienarbeit beteiligen und wichtige Entscheidungen gemeinsam mit ihren Frauen treffen, sind in vielen Ländern immer noch Exoten. Die vorherrschende Kultur vermittelt den Männern, ihr Status hänge davon ab, wie überlegen sie sich gegenüber Frauen verhalten. Dass ein stärkeres Engagement gut für ihre Kinder, gut für ihre Frauen und auch gut für sie selbst ist, wissen viele Väter nicht.
Der 31-jährige Christopher aus Sri Lanka glaubte früher auch, er habe als Mann alle Freiheiten. „Ich dachte immer, dass die Erziehung und Versorgung der Kinder allein Sache der Frau ist“, erzählt Christopher. „Meine Frau stand jeden Tag früh auf, um für die Familie zu kochen und die Kinder für die Vorschule und die Tagesbetreuung vorzubereiten, bevor sie zur Arbeit ging, während ich geschlafen habe und dann direkt zur Arbeit gegangen bin. Nach der Arbeit habe ich meistens mit meinen Freunden Sport getrieben, und wenn ich etwas Geld hatte, ging ich mit ihnen am Feierabend noch trinken. Keiner von uns fand etwas falsch an diesem Lebensstil.“
Christophers Frau Vijayakala fand es auch normal, dass ihr Mann sich kaum um sie und die Kinder kümmerte. Frauen mussten ihre Dreifach-Verantwortung als Geldverdienerin, Hausfrau und Mutter eben irgendwie bewältigen. Wie die meisten Frauen in ihrer Gegend im zentralen Hochland von Sri Lanka pflückt sie den ganzen Tag Teeblätter, während Christopher nur bis nachmittags in der Fabrik arbeitet.
Isolation und Alkoholismus, geschlechtsspezifische Gewalt und psychische Probleme bei Kindern sind einige der Folgen, die im Zusammenhang mit den getrennten Lebenswelten und ungleichen Machtverhältnissen gehäuft auftreten. In den Teeplantagen-Siedlungen stellte unter anderem die Weltgesundheitsorganisation eine besonders starke Verbreitung von häuslicher Gewalt fest.
Ich habe nie auf die Meinung meiner Frau gehört. So haben wir uns auch bei sehr kleinen Dingen viel gestritten. Ich habe sie sogar manchmal geschlagen. Ich war der Chef. Meine Tochter habe ich auch so behandelt.
Als World Vision unter anderem mit Patenschaften Entwicklungsprojekte in den Teeplantagen startete, wurden häusliche Gewalt und Kindesmissbrauch als große Probleme identifiziert. Häusliche Gewalt wird in der Kultur häufig trivialisiert. Ein altes sri-lankisches Sprichwort sagt: „Es gibt drei Dinge, die man schlagen kann: eine Trommel, einen Hund und eine Frau.“ Und ein anderes: „Lassen Sie die Außenstehenden nicht wissen, dass das Feuer in Ihrem Haus brennt“, damit die Opfer schweigen. Laut einer 2013 durchgeführten Studie einer internationalen Organisation stimmten 58 Prozent der Frauen zu, dass eine Frau Gewalt tolerieren sollte, um die Familie zusammenzuhalten.
Frauen zu sensibilisieren und zu stärken, reicht unter solchen Umständen nicht aus. Es ist wichtig, Männer und Frauen zusammen zu bringen, um das Denken und Handeln zu verändern. World Vision hat daher mit Unterstützung von Promundo international in Sri Lanka und weiteren Ländern den "Men-Care"-Ansatz in die Gender-Arbeit eingeführt.
Das "Men Care"-Programm verfolgt das Ziel, das Engagement von Männern als Betreuer im Leben ihrer Partner und Kinder zu fördern. Die sechs Monate dauernden Workshops behandeln Themen wie die Gleichstellung der Geschlechter, Familienleben, Kinderschutz, die Rechte von Kindern und eine gesunde Entwicklung bei Kindern, Alkoholismus, Finanzplanung und auch praktische Übungen wie das Wickeln von Babies. Rollenspiele fördern dabei die Interaktion zwischen Ehemännern und Ehefrauen, die dabei auch selbst Lösungen für ihre Probleme finden können.
„Die Sitzungen haben meine Perspektive auf Ehe und Familie völlig verändert“, erzählt Christopher lächelnd. „Ich beteilige mich jetzt an der Hausarbeit, indem ich zum Beispiel den Kindern helfe, sich morgens fertig zu machen, und indem ich Wäsche wasche. Ich streite auch zu Hause nicht mehr oft. Ich habe gelernt, Gespräche mit meiner Frau und meinen Kindern zu führen, ohne zu schreien oder zu schlagen. Ich kann sehen, dass meine Tochter jetzt keine Angst mehr vor mir vor mir hat, sondern viel entspannter in meiner Gegenwart ist. Ich wusste nicht, dass es so lohnend sein kann, in ihr Leben involviert zu sein.“
Eine positive Veränderung sieht Christopher sogar in seinen ursprünglichen Haupt-Machtbereichen. „Vor dem Projekt habe ich Geld aus meinem Gehalt für Alkohol ausgegeben, weil ich dachte, dass es mein Recht sei. Aber jetzt habe ich aufgehört zu trinken und zu rauchen“, sagt er. „Überraschenderweise gibt es mir mehr Ausdauer bei der Arbeit. Meine Frau und ich planen unsere Ausgaben für den Monat und wir waren in der Lage, alle Schulden zu begleichen, Sparkonten für die Kinder zu eröffnen und sogar einen Gasherd zu kaufen.“
Nach der Arbeit verbringt Christopher die meisten Abende mit seiner Frau und seinen Kindern. „Ich helfe meiner Tochter beim Basteln oder bei anderen Arbeiten, die sie aus der Vorschule mitgebracht hat. Dann mache ich Musik an, damit sie tanzen kann. Sie liebt es zu tanzen“, fügt er hinzu.
Eine Auswertung der Programm-Wirkungen hat ergeben, dass 69% der teilnehmenden Väter den Alkoholkonsum reduziert haben, 66% ihre Partner im Haushalt unterstützen und sich für das Leben ihrer Kinder engagieren und ferner 72% ihr monatliches Budget mit ihrem Partner besprechen. Auch dem Management der örtlichen Arbeitgeber sind diese positive Veränderungen aufgefallen, bis hin zu einer Steigerung der Produktivität. Die Arbeiter hätten die Gewohnheit des Sparens entwickelt und seien in das Leben ihrer Kinder involviert.
Auch in anderen asiatischen Ländern wurden gute Erfolge mit dem "Men Care"-Programm erzielt. Am nachhaltigsten sind diese Erfolge dort, wo auch andere Akteure in die gleiche Richtung arbeiten. Dazu zählen etwa auch die von World Vision geförderten Kinderschutz-Netzwerke.
Ganz ohne Widerstände verläuft der Prozess der Veränderung natürlich nicht. „Einige meiner Freunde ärgern mich, indem sie sagen, ich mache Frauenarbeit und nennen mich ein Weichei. Sie verstehen nicht, warum ich nicht mehr mit ihnen auf einen Drink gehe. Aber ich werde mich nicht ändern. Ich tue das für meine Frau und meine Töchter. Es macht mir so viel Freude“, sagt er.
Wie zum Abschluss des Programms versprochen, versucht Christopher sein Wissen und seine Erfahrungen an andere Väter weiter zu geben. Jeder Erfolg motiviert ihn. „Ich sehe, wie sich einige von ihnen verändern, und ich sehe die Freude in ihren Familien und sogar bei ihren Nachbarn. Jeder Vater sollte das 'Men-Care'-Projekt durchlaufen“, sagt er.